Landeshauptstadt: Arme Kinder, arme Eltern
Podiumsdiskussion: Statt reparieren, Familie stärken
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Drewitz – Im vollbesetzten Saal der Grundschule „Am Priesterweg“ wurde Klartext geredet. Die Ansichten bei der Podiumsdiskussion zur Kinderarmut in Potsdam reichten am Mittwochabend von noch mehr Unterstützung für überforderte Eltern, noch mehr Kontrolle – bis zu der Meinung, der Staat könne kein Reparaturbetrieb aller Kind-Eltern-Probleme sein, wie Carsten Saß, Jugenddezernent im Landkreis Dahme- Spreewald, erklärte. Man könne die Familien stärken und müsse das auch sinnvoll tun, damit sie ihre Aufgaben in der Kindererziehung erfüllten, so Saß.
Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller (parteilos) zeigte da einen etwas anderen Ansatz. Sie habe in Diskussionen mit Eltern immer wieder erfahren, dass viele die Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten gar nicht kennen würden. Deshalb werde der Babybegrüßungsdienst sehr gern angenommen. Er habe eine Akzeptanz von über 90 Prozent. Manche Eltern zeigten sich bei ihrer Aufgabe in der Kinderbetreuung überfordert. Da müsse Beratung und ganz konkrete Hilfe ansetzen. Es ginge dabei nicht nur um materielle Armut, da waren sich alle Disputanten einig, sondern auch um soziale und kulturelle Defizite, um den ungleichen Start ins Leben. Es gebe eigentlich für fast alle Fälle Förderprogramme, doch kämen sie oft bei den Betroffenen gar nicht an, so Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU). Hilfen seien unpraktisch, die Antragshürden oft viel zu hoch.
Als sehr praxisnah hätten sich die Eltern-Kind-Zentren erwiesen, betonte Angela Basekow, Geschäftsführerin des AWO-Kreisverbandes, der ein solches Zentrum am Stern betreut. Basekow machte sich für den Erhalt der Zentren stark, denn die Probephase laufe jetzt aus. Hier würden Eltern Eltern beraten und das sei oft wertvoller als staatliche Eingriffe. Ihren Wunsch, die Landesförderung nicht einzustellen, richtete sie an den Landtagsabgeordneten Sven Petke (CDU), der – selbst Vater von drei Kindern – die Podiumsdiskussion organisiert hatte. Er versprach, sich für die weitere Förderung stark zu machen.
Ein wichtiges Unterstützungsangebot kam von der Vorsitzenden des Volkssolidarität-Stadtverbandes Gabriele Herzel. Senioren haben sich bereit erklärt, Kinder sowohl finanziell als auch als „Lese- Omas“ bei der Bewältigung von Hausaufgaben zu unterstützen. Das Projekt läuft jetzt im Kirchsteigfeld und in Eiche an.
Ein Hilferuf kam von der Priesterwegschule selbst. Lehrerin Viola Freier forderte schnellere Hilfe, wenn Lehrkräfte ausfielen, zumal zusätzlich zum Lehrstoff jede Menge Erziehungs- und Integrationsarbeit bewältigt werden müsse. Und es könne nicht sein, dass Schulmaterial für Hartz-IV-Kinder, egal wie viele es an der Schule gäbe, von die Pauschalsumme für Lehrmittel abginge.
Es war zwar nicht das Schlusswort, fasste aber all die Bestrebungen um Hilfen und Projekte zusammen: Der Wille, seine Kinder voranzubringen und ihnen eine gute Bildung zu geben, muss in der Familie vorhanden sein. Dann sei auch Armut ein relativer Begriff, sagte Dr. Anton Klug, Kind einer elfköpfigen Waldarbeiterfamilie.dif
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