Landeshauptstadt: ARMUTS-ZEUGNIS
Maximal 224,27 Euro stehen einem Flüchtling laut Asylbewerberleistungsgesetz pro Monat zu – in Potsdam betrifft das nach Angaben der Stadt aktuell 361 Personen. Irene Kirchner, Fraktionsvorsitzende von „Die Andere“, und Matthias Stempfle, Diakon am Schlaatz, machen im Vorfeld der „Interkulturellen Woche“ den Selbstversuch: 45 Euro für sieben Tage.
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Maximal 224,27 Euro stehen einem Flüchtling laut Asylbewerberleistungsgesetz pro Monat zu – in Potsdam betrifft das nach Angaben der Stadt aktuell 361 Personen. Irene Kirchner, Fraktionsvorsitzende von „Die Andere“, und Matthias Stempfle, Diakon am Schlaatz, machen im Vorfeld der „Interkulturellen Woche“ den Selbstversuch: 45 Euro für sieben Tage. In den PNN berichten sie täglich über ihr Leben unter dem Existenzminimum.
Ihr Kontostand um 17 Uhr ?
Kirchner: 22,87 Euro
Stempfle: 25,55 Euro
Was haben Sie sich heute geleistet?
Kirchner: Ein Vollbad – aus rein medizinischen Gründen. Ich veranschlage dafür drei Euro.
Stempfle: Ein Kilo Birnen, die ich mit meinem einjährigen Sohn teile. Meine Frau und das Kind nehmen nicht teil am Experiment, so dass wir für diese Woche getrennte Bereiche im Kühlschrank haben.
Was gab es zum Mittag?
Kirchner: Rote Linsensuppe mit einer vegetarischen Knackwurst. Dafür ziehe ich 1,50 Euro ab, da ich aus bestehenden Haushaltsbeständen schöpfen konnte.
Stempfle: Linseneintopf mit Joghurt.
Was hat Sie geärgert?
Kirchner: Dass ich jemanden nicht erreicht habe.
Stempfle: Nichts.
Worüber haben Sie sich gefreut?
Kirchner: Dass die Stadt eine Überganglösung für AsylbewerberInnen gefunden hat, um für bestehende LeistungsempfängerInnen die Ausweitung des Bezugszeitraums der geringen Leistungen (siehe oben) auf 48 Monate zu vermeiden. Manchmal sind es nur die vermeintlich kleinen Dinge, Gedanken und Taten, die eine große und nachhaltige Wirkung haben.
Stempfle: Ich hatte ein gutes Gespräch mit einem afrikanischen Asylbewerber. Dabei wurde mir bewusst, dass es mir vergleichsweise gut geht: Weder muss ich von den 45 Euro einen Anwalt für das Asylverfahren bezahlen, noch darüber nachdenken, wie ich die kranke Cousine in Afrika unterstützen könnte. Außerdem muss ich keine Rücklage für unvorhergesehene Ausgaben bilden, zum Beispiel Reparaturkosten, wenn etwas kaputt geht.
Die Fragen stellte Jana Haase
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