Kolumne: Etwas HELLA: Ärzte sind auch nur Menschen
Beim Patientenbarometer von Jameda, einem Ärztebewertungsportal im Internet, bekamen Potsdams Mediziner in diesem Jahr die Durchschnittsnote 1,7. Ich bin natürlich auch der Meinung, dass meine Hausärztin eins a ist und dass sich alle anderen Ärzte in der Stadt auf das Heftigste bemühen, damit wir beim eigenen 100.
Stand:
Beim Patientenbarometer von Jameda, einem Ärztebewertungsportal im Internet, bekamen Potsdams Mediziner in diesem Jahr die Durchschnittsnote 1,7. Ich bin natürlich auch der Meinung, dass meine Hausärztin eins a ist und dass sich alle anderen Ärzte in der Stadt auf das Heftigste bemühen, damit wir beim eigenen 100. Geburtstag noch immer auf dem Tisch tanzen können. Andererseits macht es mich ein bisschen stutzig, dass bei einer möglichen Skala von 1 bis 6 so oft Bestnoten vergeben werden. In meinem Bekanntenkreis höre ich nämlich viel mehr Gemecker, als eine 1,7-Durchschnittsnote rechtfertigen dürfte.
Von der Idee, dass die Ärzte Halbgötter in Weiß sind, haben wir uns ja längst verabschiedet, weil sie manchmal eben auch grüne oder blaue Arztkittel oder ganz normales Zivil tragen. Aber einige bösartige Patienten zerren die Ärmsten, die doch auch nur Menschen sind, bei Kunstfehlern sogar vor Gericht und bekommen auch noch Recht, siehe missglückte Schönheits-OP in der Sanssouci-Klinik. Doch wie steht es denn nun mit den fachlichen und menschlichen Qualitäten und der Betreuung Hilfesuchender überhaupt in Potsdam?
Beim Patientenbarometer wurden unter anderem Behandlung, Aufklärung, Vertrauensverhältnis und Freundlichkeit bewertet. Was ich allerdings vermisse, ist die Frage nach der Zeit, die man warten muss, um einen Facharzttermin zu bekommen. Die liegt nämlich zwischen zwei Monaten und einem Dreivierteljahr und der Hinweis, man trage den Kopf schon unterm Arm, hilft da gar nichts. Das müsse dann eben erst einmal der Hausarzt richten, hieß es bei der Terminvergabe von der Facharztschwester in meinem speziellen Fall. Schmerzsprechstunde – Fehlanzeige.
Wenn aber der Hausarzt überfordert ist, was dann? Eine überforderte Hausärztin kam auf die unverzeihliche Idee, ihre fiebernde Patientin, deren Blutwerte katastrophal waren und auf eine Infektion hindeuteten, an die Notaufnahme des Klinikums in Potsdam zu überweisen. Die Patientin bekam ein Bett, es wurde noch einmal das Blut untersucht und nichts gefunden. Was der Ärmsten nicht etwa weitere Untersuchungen einbrachte, sondern den Stempel einer Simulantin. Besser ging es ihr immer noch nicht, aber nun war wenigstens (k)eine Krankheitsursache gefunden und man konnte sie wieder nach Hause schicken.
Natürlich kann man die Ärzte im Klinikum verstehen, denn die Notaufnahme, so habe ich von Fachleuten gehört, wird oft missbraucht von Menschen, die kein Notfall sind. Geduld, ihr Lieben, Geduld. Auch wenn der Kopf schon kurz davor ist abzufallen oder das Gehirn Kapriolen schlägt, der Magen kein Essen mehr behält oder der Patient ohne erkennbare Ursache stark fiebert: Geduld ist eine sehr schöne menschliche Eigenschaft und muss trainiert werden. Auf alle Fälle schicken Sie, liebe Hausärzte, nie jemanden in die Notaufnahme. Dort gibt es offenbar nur zwei Einteilungen der Patienten – entweder eine eindeutige Diagnose ist möglich, weil der Kopf schon ab ist, oder der Patient simuliert.
Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: