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Landeshauptstadt: Asche der Widerständler in alle Winde zerstreut

Pfarrer i. R. Gottfried Kunzendorf: Potsdam fehlt ein Gedenktafelkonzept

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Pfarrer i. R. Gottfried Kunzendorf: Potsdam fehlt ein Gedenktafelkonzept „Was in Sanssouci stirbt, das wird in Bornstädt begraben.“ Dieses Wort Fontanes trifft auch auf Henri Alexandre de Catt zu, der als Vorleser und Privatsekretär Friedrichs des Großen, Akademiemitglied und Autor in die preußische Geschichte eingegangen ist. Auf der Ecke Am Kanal 7/ Berliner Straße 10 besaß er ein repräsentatives Barockhaus, das heute vom Energieversorger Edis genutzt wird. Nach seinem Tod 1795 wurde er zunächst in der Kirche, 1805 dann in einem Grabgewölbe beigesetzt, das nicht erhalten ist. De Catts 280. Geburtstag wurde im Juni zum Anlass genommen, an den gebildeten und vielseitigen Mann zu erinnern. Dazu ist an der Westseite des Kirchturms eine von dem Graphiker Christian Fleming entworfene und mit der Stadtdenkmalpflege abgestimmte Gedenktafel angebracht worden. Sie ist Gottfried Kunzendorf, Pfarrer im Ruhestand, zu verdanken, der dafür während einer seiner Führungen über den historischen Friedhof eine Spende erhielt. Kunzendorf hat aus den Kirchenbüchern die Namen zahlreicher Persönlichkeiten erschlossen, deren Bornstedter Grabstätten nicht erhalten sind, die aber seiner Meinung nach eine Würdigung verdient hätten. Dazu zählt er Hofgärtner wie Johann Hillner, Johann Zacharias Saltzmann und Karl Handtmann, den Maler Franz Hillner, dessen Gemälde „Der Brand der Nikolaikirche“ sich im Potsdam-Museum befindet, oder den Schuldirektoren und Stadtchronisten Samuel Gerlach. In einigen Fällen ist es gelungen, Sponsoren für die Gedenktafeln zu finden. Nach weiteren Unterstützern ist Kunzendorf (Tel.: 0331/2703575) auf der Suche. Dem heute 74-Jährigen wurde, wie er sagt, „das Interesse an der Geschichte in die Wiege gelegt“. 1984 erregte er beträchtliches Aufsehen, als er in der Bornstedter Kirche erstmals einen Gedenkgottesdienst für die Widerständler des 20. Juli 1944 feierte. Zuvor hatte er Kontakt zu deren in Westdeutschland lebenden Familien aufgenommen. Das war ein mutiger Schritt, wenngleich damals auch bei den DDR-Oberen bereits ein Umdenken über den Offizierswiderstand gegen Hitler eingesetzt hatte. Seitdem sind in der Bornstedter Kirche nun schon mehr als zwei Jahrzehnte jedes Jahr Männer des 20. Juli 1944 gewürdigt worden. Beginnend mit einer Ehrung für Henning von Tresckow erinnern auf dem Friedhof inzwischen mehrere Grabtafeln an Widerstandskämpfer. Gelegentlich ist Kunzendorf vorgehalten worden, bis auf Kurt Freiherr von Plettenburg sei keiner von ihnen dort beerdigt worden. Dazu muss man wissen, dass die nationalsozialistische Führung den Ermordeten ein Begräbnis verweigerte und ihre Asche in alle Winde zerstreute. Für diesen Racheakt wurde sogar die bereits bestattete Leiche Henning von Tresckows wieder ausgegraben. Der Bezug auf die Grabmäler der in Potdam lebenden Familien der Opfer erscheint deshalb gerechtfertigt und wird von den Nachfahren begrüßt. Haben sich Kirche und Friedhof Bornstedt auf diese Weise zu einem Zentrum der Erinnerung an den Offizierswiderstand entwickelt, so fällt im Stadtbild die Würdigung von bedeutenden Persönlichkeiten nach wie vor ärmlich aus. Stadtverordnete und Stadtverwaltung ließen einen durch den Verein AGAPHI unternommenen hoffnungsvollen Anfang ins Leere laufen. Detlef Graf von Schwerin, der frühere Potsdamer Polizeipräsident, beklagte kürzlich bei einer Ehrung für seinen von den Nazis ermordeten Vater, dass es im Gegensatz zu anderen Städten nach wie vor kein Gedenktafelkonzept gebe. Ohne politische Unterstützung erscheint die von der Stadt berufene Gedenktafelkommission damit überfordert. Gottfried Kunzendorf wird hartnäckig seine Bemühungen um die Würdigung bedeutender Potsdamer Persönlichkeiten im Stadtbild fortsetzen. Dabei geht es ihm nicht nur um die Widerständler. So tritt er auch dafür ein, dass im Holländischen Viertel die am Ausbau der Stadt beteiligten Künstler und Baumeister Gedenktafeln erhalten – aber auch der „Hauptmann von Köpenick“, der in der Mittelstraße die Uniform für seinen genialen Gaunerstreich kaufte Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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