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Landeshauptstadt: Astro im Abseits

Älteste Naturwissenschaft ist in Potsdam und Brandenburg kein eigenständiges Unterrichtsfach mehr

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Der 84-jährige Arnold Zenkert erhielt kürzlich den diesjährigen Wilhelm-Foerster-Preis der Potsdamer Urania. In seiner Laudatio würdigte Bildungsminister Holger Rupprecht die Verdienste des Preisträgers um die astronomische Volksbildung. Zenkert hatte von 1973 bis zum Renteneintritt 1988 das Astronomischen Zentrum „Bruno H. Bürgel“ geleitet, zu dem neben dem Planetarium die Bürgel-Gedenkstätte und eine Beobachtungsstation gehören. 1963 bis 1988 verantwortete er für die externe Weiterbildung der Astronomielehrer. Als Mitglied der Unterrichtsmittelkommission Astronomie bei der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften trat der Studienrat seit 1960 als Autor von Sternkarten, Anschauungstafeln, Modellen und Diareihen hervor.

Der Laudator befand sich in einer schwierigen Situation, hat das von ihm geleitete Ministerium doch wesentlich dazu beigetragen, Arnold Zenkerts Lebenswerk in Frage zu stellen. Inzwischen gibt es im Land Brandenburg weder einen obligatorischen Astronomieunterricht an den Schulen noch eine universitäre Ausbildung von Lehrern in diesem Fach. Mit den Bemühungen darum sind sowohl der Verein Pro Astro als auch der vor zwei Jahren in den Ruhestand getretene Landesfachberater Dr. Peter Freudenberger bei Rupprecht auf Granit gestoßen. Der Minister hält die Vermittlung bescheidener astronomischer Grundkenntnisse im Rahmen des Physikunterrichts für ausreichend.

Als Freudenberger nicht locker ließ, forderte ihn Rupprecht durch seine Referenten auf, er solle die Antworten aus seinem Ministerium, die „auf der Basis einer fachlichen inhaltlichen Einschätzung der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im LISUM beruhen, zur Kenntnis nehmen“. Er werde gebeten, „künftig bei kritischen Anmerkungen von Vorwürfen gegen Minister Rupprecht und Mitarbeiter des MBJS Abstand zu nehmen“. Der vormals selbst am LISUM – dem Berlin-Brandenburgischen Landesinstitut für Schule und Medien – angestellte Pädagoge sieht diese Aufforderung als „versuchte Einschränkung seiner verfassungsmäßigen Rechte“. Auf die ehrenamtliche Mitarbeit von Sachverständigen sei das Bildungsministerium mehr als jedes andere angewiesen. Sachbearbeitern des LISUM wirft Freudenberger vor, die Astronomie fälschlich mit der Astrophysik gleichzusetzen. Eine Mitarbeiterin habe sogar die Pseudowissenschaft Astrologie als „wichtig“ bezeichnet. Verständlich, dass man solche Vorwürfe dort nicht gerne hört.

Sie teilten die von Freudenberger verfochtenen Anliegen, erklären der Vorsitzende des Vereins Pro Astro, Uwe Schierhorn, der gleichzeitig dessen Nachfolger als Fachberater ist, und sein Stellvertreter Frank Kausch, die beide an Gymnasien in Königs Wusterhausen unterrichten. Deren Verwirklichung wollen sie im Unterschied zu dem streitbaren Potsdamer allerdings eher pragmatisch angehen. Nach wie vor könne nach der Verordnung für die Sekundarstufe I (7. - 10. Klasse) Astronomieunterricht in Brandenburg als Wahlpflicht- oder Pflichtfach erteilt werden. Dies sei immerhin eine bessere Situation als in den westlichen Bundesländern und nach der Zwangsabschaffung durch den Landtag nun auch in Sachsen. Davon machten nach Entscheidung durch die Schul- und Lehrerkonferenz noch zahlreiche Schulen Gebrauch. In der Gymnasialen Oberstufe (GOST), wo Astronomie als Wahlgrundkurs angeboten werden kann, seien es allerdings landesweit nur noch vier. Von der zurzeit laufenden Überarbeitung der GOST-Verordnung befürchten Schierhorn und Kausch, dass diese Möglichkeit gestrichen wird. Der Entwurf sei ihnen vom Ministerium leider bisher nicht zugänglich gemacht worden.

Das Kardinalproblem ist jedoch, dass es in Brandenburg keine universitäre Astronomielehrerausbildung mehr gibt. Die Wiedereinführung einer Lehramtsprüfung in diesem Fach würde erhebliche finanzielle Aufwendungen erfordern und wird wohl auch deshalb vom Ministerium abgelehnt. Pro Astro hat jedoch einen Kompromissvorschlag entwickelt. Wie seinerzeit Arnold Zenkert extern Astronomielehrer ausbildete, so könnte dies kostensparend künftig wieder am Potsdamer Planetarium oder durch den Verein selbst geschehen. Notwendig wäre dafür die Anerkennung der Ausbildung durch das Ministerium.

Auch Potsdams Planetariumsleiter Rolf König sieht darin den springenden Punkt. „Bald gehen die letzten Astronomiefachlehrer in den Ruhestand. Dann wird die Zahl unserer Besucher, für die Sterne nicht mehr sind als glitzernde Punkte am Himmel, noch weiter zunehmen“, befürchtet er. Freudenberger hat ausgerechnet, dass die Zahl der Astronomielehrkräfte in den letzten Jahren von 185 auf 89 zurückgegangen ist.

Arnold Zenkert hatte in seinem Festvortrag zur Preisverleihung darauf hingewiesen, dass die Astronomie die älteste Naturwissenschaft ist und ihre Erkenntnisse die Grundlage für das Verständnis der Gesetze des Universums und der Erde bilden. Schon vor mehr als 150 Jahren habe der berühmte Pädagoge Friedrich Wilhelm Adolph Diesterweg gefordert, kein Kind dürfe die Schule verlassen, ohne die „Wunder des Himmels“ zu kennen. Ebenso seien auch heute die Sterne „kostbare Diamanten der Allgemeinbildung“.

Die Urania will dazu beitragen, die von ihr vor 120 Jahren begründete Vermittlung der Himmelskunde wieder zu intensivieren. Ihr Potsdamer Verein „Wilhelm Foerster“ lädt am Montag, 3. März, zu einem Tag der offenen Tür ins Planetarium Gutenbergstraße und um 18 Uhr zu einer Podiumsdiskussion „Schwarzes Loch in der Bildung“ ein, die vom stellvertretenden PNN-Chefredakteur Peter Tiede moderiert wird. Im Podium wird dann auch der Potsdamer Astrophysiker Prof. Dr. Hans Oleak sitzen. Er wies darauf hin, dass die UNO 2009 zum „Jahr der Astronomie“ ausgerufen hat. Dies wäre für das Bildungsministerium ein hervorragender Anlass, den Astronomieunterricht in den Schulen zu reaktivieren, meint er. Oleak erinnerte daran, dass der obligatorische Unterricht in diesem Fach in der DDR 1959 unter dem Eindruck des geglückten Starts der ersten „Sputnik“-Satelliten eingeführt wurde: „Vielleicht bringen die USA im nächsten Jahr ja eine Marsmission auf den Weg, die die Euphorie für Weltraumfahrt und Astronomie neu weckt.“Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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