Landeshauptstadt: Atlantikfrische
Selbstverständlich kann Carsten Rettschlag auch Froschschenkel zubereiten. Erst kürzlich drei Kilogramm für zwei Gäste, die dann – glücklich – einige Zeit damit beschäftigt waren.
Stand:
Selbstverständlich kann Carsten Rettschlag auch Froschschenkel zubereiten. Erst kürzlich drei Kilogramm für zwei Gäste, die dann – glücklich – einige Zeit damit beschäftigt waren. „Ich finde, es schmeckt wie Hühnchen“, sagt der Küchenchef des Restaurants „Juliette“ dazu. Er selbst muss das nicht haben, aber auf Wunsch bestellt er alles. Es sei denn, seine französischen Einkäufer und Zulieferer bleiben am Zoll oder irgendwo auf der Autobahn zwischen Paris und Potsdam hängen. So wie beim Kochen des Weihnachtsmenüs für die PNN. Dann muss der Wolfsbarsch ausnahmsweise aus der Kühlkammer kommen.
Seit Jahren wird im „Juliette“ französisch gekocht. Von 2000 bis 2005 stand auch Carsten Rettschlag dort in der Küche, dann ging er auf Wanderschaft, kochte unter anderem in Oranienburg und im Hotelrestaurant Cecilienhof. „Man muss Erfahrungen sammeln, immer unter dem selben Chef kochen – das ist nicht gut“, sagt der heute 37-Jährige. Jetzt ist er selbst Chef, kocht seit 2010 wieder in dem gemütlichen Fachwerkhaus in der Jägerstraße. Dort hat er sich diesmal für länger eingerichtet. Und obwohl er Frankreich nur als Tourist kennt, dort nie als Koch gearbeitet hat, bleibt es bei der französische Küche,die immerhin von der Unesco vor drei Jahren als immaterielles Kulturgut anerkannt wurde. „Was gut ist, muss man nicht ändern“, sagte sich Rettschlag.
Und es ist gut. Der Restaurantführer „Gault Millau“ zählt das „Juliette“ zu den Top Restaurants in Potsdam. Was nicht an den Froschschenkeln liegen kann, denn die findet man nicht auf der Tageskarte. „Ich mag eine moderne, weltoffene französische Küche“, sagt Rettschlag, und meint: Jenseits von Klischees und jenseits der bodenständigen Landküche. „Die typischen Schmorgerichte, die in Frankreich auf den Tisch kommen, ein großer Topf, eine Flasche Rotwein und zwei Stangen Baguette dazu – das geht bei uns nicht“, sagt der Chefkoch. Ein bisschen leichter und raffinierter darf es sein im „Juliette“.
Dort stehen sie zu dritt in der Küche und „bauen die Gerichte“, wie es die Köche nennen. Nichts wird hier leichtfertig auf den Teller geklatscht, alles wird nach einem durchdachten System montiert, gestapelt, geklebt. Kochkollege Jan Göbel zeigt einen Trick: Ein paar Kuchenkrümel unter der Eisportion verhindern das Wegrutschen der zarten Köstlichkeit auf der glatten Telleroberfläche. So einfach ist das. Und wenn die Vorspeise auf einem weißen Teller zu blass aussieht, serviert man sie auf einer schwarzen Schieferplatte.
Zwei Menüs stehen jeweils auf der Karte, die vierzehntägig neu geschrieben wird. Weil fast alle Zutaten vom Großmarkt in Paris kommen, ist die Karte auch von dem aktuellen Angebot bei den Nachbarn abhängig. „Mein Einkäufer ruft mich also an und fragt: Es gibt den und den Fisch, kannste was daraus machen?“, erklärt Rettschlag das Verfahren. Er kann was daraus machen, beispielsweise aus dem Wolfsbarsch, Loup de Mer, den er auf Anfrage von Kunden auch zum Nachkochen für zu Hause bestellt. Rettschlag bevorzugt Salzwasserfische gegenüber heimischen Süßwasserarten. Karpfen beispielsweise, das passe nicht in ein französisches Restaurant. „Der Fisch muss nach frischem Atlantik schmecken“, findet er. Der Wolfsbarsch, mildes, festes Fleisch, der sei etwas Besonderes für die Festtage. Und wird doch ganz simpel in der Pfanne gebraten. Rettschlag bleibt dabei am Herd stehen und beobachtet, wie sich die Farbe des Stücks sekündlich verändert, die Wärme hindurchzieht. „Bloß nicht trocken werden lassen, das ist sonst wie Staub im Mund“, sagt der Koch.
20 bis 40 Gäste sind es pro Tag im „Juliette“, schätzen die Köche, etwa sechs Teller pro Person, von der Vorspeise bis zum Käse. „Man kommt nicht zu uns, um schnell satt zu werden“, so die Maxime des Geschäftsinhabers, „sondern um zu genießen.“ Vor allem in der kalten Jahreszeit ist das Interieur ein höchst heimeliger Zufluchtsort für alle, die stilvoll am flackerndem Kamin speisen wollen. Der wird selbstverständlich benutzt. Auf der Karte finden sich jetzt im Winter Confierte Entenkeule mit Gewürzrotkohl oder Fisch mit geheimnisvollen Beilagen wie Eiszapfen.
Die kalte Jahreszeit ist jedoch kein Grund, auf Wildkräutersalat zu verzichten. Die Mischung aus Rucola, Frisée und Blutampfer, kleinste, zarte, rotgeäderte Blättchen mit viel Geschmack, wächst jetzt noch im wärmeren Frankreich. Dazu gibt’s den passenden Wein aus dem Land des kulinarischen Kulturguts. Die Weinkarte liest sich wie ein Kurzurlaub quer durch Frankreich.
Einmal in der Woche allerdings zelebrieren sie Bouletten – nur für die Küchencrew. „Das brauchen wir einfach“, sagt Rettschlag, während er mit leichter Hand einen Hauch Fischschaum um den Loup de Mer drapiert.
Juliette, Jägerstraße 39, 14467 Potsdam, Telefon: (0331) 270 17 91
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: