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Steffi Pyanoe.

© A. Klaer

Kolumne PYAnissimo: Auch Du, meine Tochter

Vielleicht irre ich mich, aber meines Wissens bekommt der Nikolaisaal städtische Förderung. Möglicherweise jedoch zu wenig, weshalb man dort jetzt vermehrt die großen Knaller einkauft.

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Vielleicht irre ich mich, aber meines Wissens bekommt der Nikolaisaal städtische Förderung. Möglicherweise jedoch zu wenig, weshalb man dort jetzt vermehrt die großen Knaller einkauft. Veranstaltungen, die Geld reinbringen. Vergangenen Samstag lief beispielsweise eine Männer-Tanz-Show. Die Mantastic Sixxpaxxs waren angetreten, um – ich zitiere aus dem Promotext – „die Frauen zum Kreischen zu bringen, ihnen den Kopf zu verdrehen und sie reihenweise vor Begeisterung von ihren Stühlen zu reißen“. Nichts Geringeres als „das erotische Highlight des Jahres“ wurde versprochen. Mit dabei: Marc Terenzi, „Ex-Boybandschnuckel“ und laut Wikipedia „vollwertiges Mitglied der Strippergruppe“, was auch immer das heißt. Diese besondere Phalanx sollte beweisen, „dass sie sich nicht nur ausziehen können“.

Gut 400 Besucherinnen schauten sich das an, nicht ganz so viele wie erwartet, aber das war wohl zu erwarten, manche Potsdamerinnen suchen erotische Highlights eben doch woanders. Bemerkenswert finde ich, dass es also als schick gilt, wenn sich Männer ausziehen. Frauen-Strip gehört ins klebrige Bar-Milieu, Männer bekommen den Nikolaisaal. Aber das wohl nur, damit wir Frauen auch bequem sitzen bei der Show des Jahres. Bevor es uns von den Sitzen reißt.

Mich reißt was ganz anderes von den Sitzen, jeden Tag. Zum Beispiel wenn ich um das Gemüsefach im Kühlschrank kämpfen muss, weil irgendjemand meint, dass dort Getränke viel besser reinpassen. Weil ich wochenlang einen mannshohen Schnellkomposter auf meiner Terrasse dulden darf (für die Umwelt!), den Gatte und Nachbar auf dem nächtlichen Heimweg von einer Party irgendwo als Give-away einsammelten (beide Männer waren alkoholisiert), das Ding („Das kostet neu locker 150 Euro!“) aber nicht ins Auto passte und somit nicht an seinen Bestimmungsort, den Garten, gebracht werden konnte. Weshalb der Kasten uns vorübergehend das Wohnzimmer verdunkelte, aber was soll’s. Lieber Herr Terenzi, das (!) sind so Highlight, dafür müssen Sie sich nicht mal ausziehen.

Leider wird uns jetzt bald die letzte männerfreie Domäne genommen: die Damentoilette. Die Potsdamer Fachhochschule hat Unisexklos eingerichtet, Klos ohne Geschlechterzuordnung, auf denen man also, rein theoretisch, Herrn T. und seinen vollwertigen Mannen am Schminkspiegel begegnen könnte. Will man das? Nein, ich weiß, wozu Männer im Bad in der Lage sind. Es ist nicht immer schön. In Schweden soll das gut funktionieren, ein Klo für alle, aber die unerschrockenen Skandinavier sind kein Maßstab, die duzen sich ja auch im Möbelladen.

Wie schwierig das Geschlechterding sein kann, zeigte vor Kurzem auch eine Ankündigung der Friedenskirche. „Konzert für zwei Cembali, für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren, Frauen, Studierende und Einsteiger“. Die Männer hat man in der Aufzählung vor Schreck vergessen, oder man fühlte sich genötigt, die Frauen noch mal explizit anzusprechen. „Auch Du, meine Tochter!“ Ach – danke.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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