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Landeshauptstadt: Auf Babelsberger Gipfeln

Den ersten deutschen IT-Gipfel erklommen gestern Spitzenpolitiker – die Studenten winkten vom Hügel

Stand:

Babelsberg - Die Polizei war schon morgens um halb zehn da. Obwohl die Kanzlerin erst zum Mittag erscheinen sollte. Aber immerhin, die Bundesminister Glos, Schäuble und Schavan waren schon am Campus des Hasso-Plattner-Instituts am Bahnhof Griebnitzsee angekommen. Glos und Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck gaben von einem dichten Pressetross umgeben munter Interviews. Das Institut, das in Kooperation mit der Potsdamer Uni Softwaresystem-Ingenieure ausbildet, hatte sich zum großen Tag gestern in Schale geworfen, überall leuchteten offenkundig neue HPI-Logos.

Der Stifter des Instituts, SAP-Mitbegründer Hasso Plattner, war eigens aus den USA angereist, um den Gipfel zu eröffnen. Mit bekannt provokantem Gestus: Die Forschung mache in Deutschland nicht genug, das Problem der überalternden Gesellschaft müsse gelöst werden und man müsse in Deutschland wieder ungestraft reich werden können. „China ist heute so erfolgreich, weil es dort erlaubt ist, reich zu werden“, so Plattner. Nur wenn auch bei uns die Erfolgreichen auch reich sein dürften, werde es ausreichend Mittel geben, um sie zu verteilen, lautetet Plattners Schluss.

Und als ob dies nicht schon provokant genug war, setzte er noch eins drauf: Seine große Sorge gelte dem Energiesektor. Google beispielsweise habe für seine Rechner einen enormen Energiebedarf. „Die gehen da hin, wo der Strom günstig ist.“ Plattners Generation habe sich allerdings in Deutschland gegen den Atomstrom ausgesprochen. „Das werden wir bitter bereuen“, so Plattner. In Deutschland gebe es nicht ausreichend Anbauflächen für Strom aus Biomasse. Ein Statement, das Bundeswirtschaftsminister Michael Glos dann doch reizte. Er wolle keinen Koalitionsstreit vom Zaun brechen, aber er denke, dass die Dinge sich von selbst ergeben werden. Glos denkt dabei an das heikle Thema der Kohlenstoffdioxid-Reduktion: Hier baue er auf die Einsichtsfähigkeit der Menschen in notwendige Dinge. Deutlicher wollte er in Sachen Atomstrom nicht werden. Und zum demographischen Wandel: Er freue sich Weihnachten mit drei Enkelkindern feiern zu können: „Das wäre nicht möglich, wenn ich nicht selbst Kinder hätte.“

Doch zurück zum eigentlichen Thema: Der erste deutsche IT-Gipfel hatte zum Ziel, eine Hightechstrategie für Deutschland zu entwickeln. In Arbeitsgruppen sollten konkrete Beschlüsse für eine „Potsdamer Initiative“ erarbeitet werden. Man wünschte sich auch eine Signalwirkung, damit der Nachwuchs sich stärker für den Zukunftsbereich der Informations- und Kommunikations-Technologie interessiere. In diese Kerbe schlug auch Ministerpräsident Platzeck. „Es geht nicht an, dass nur zehn Prozent der IT-Studenten Frauen sind“, sagte er. Und er verwies auf den Durchsetzungswillen des HPI-Stifters Plattner: Deutschland dürfe den Anschluss an den Fortschritt nicht verlieren.

Kurz vor ein Uhr richteten sich dann alle Blicke zur Einfahrt zum HPI. Die Männer mit dem Knopf im Ohr, die Pressefotografen, die Studenten auf dem kleinen Hügel, alle erwarteten sie gespannt die Kanzlerin. Die Limousine fuhr ein, Merkel begrüßte Plattner, nahm ein Bad im Blitzlichtgewitter, winkte noch zweimal den Studierenden zu und verschwand erst einmal zum Dienstessen. Und das dauerte dann. Mit guten 20 Minuten Verspätung wurde der Gipfel fortgesetzt. Nur einer kam noch später, Bundesfinanzminister Steinbrück schlich sich als Letzter hinein. Gut ein Drittel der Bundesminister und ihre Chefin waren nun in Babelsberg versammelt. IT werde zur Chefsache, man müsse die Stärken stärken und fokussiert Informations- und Kommunikationssystem ausbauen. So sprach es aus den neun Arbeitsgruppen. Keiner brachte die Ergebnisse seiner Gruppe dabei so kurz und prägnant auf den Punkt wie Forschungsministerin Schavan: Keine Gießkannen-Förderung mehr, sondern Fokus auf Internet der Dienste, Internet der Dinge und das Verstehbare Auto. Punkt.

Sie habe heute etwas gelernt, begann die Kanzlerin schließlich, ohne weiter auszuführen was. Zumindest habe man heute in Potsdam Startschuss für eine Strategie im IT-Sektor gegeben. Wichtig, denn ohne IT werde Deutschland in seinen klassischen Stärken, etwa der Auto- oder Chemiebranche zurückfallen.

Deutlich lockerer wirkte Merkel anschließend im Gespräch mit Studierenden des HPI. Die Lacher waren auf ihrer Seite. Ob er sich über den hohen Anteil an Studentinnen beim Studienaufenthalt in Indien gefreut habe, fragte sie etwa einen der Studenten. Als Plattner schließlich die Gruppendynamik unter US-Studenten lobte, erwiderte Merkel schelmisch lächelnd: „Eine Plädoyer für die große Koalition.“

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