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Landeshauptstadt: Auf dem absteigenden Ast?

Gründungsdirektorin Schumann kritisiert Kulturpolitik von Stadt und Land

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Gründungsdirektorin Schumann kritisiert Kulturpolitik von Stadt und Land Es ist ein großes Ereignis. Am Tag der Eröffnung drängen sich die Potsdamer vor dem Eingang der Bibliothek. Ilse Schumann steht am Mikrofon und hält den symbolischen Schlüssel für den Neubau nach oben. „Besuchen Sie unsere Bibliothek“ fordert sie die Gäste auf. Allein am ersten Tag nehmen 844 Besucher ihre Einladung an und wandern durch die 9440 Quadratmeter Literatur, berichtet eine Bibliotheks-Dokumentation. Das war vor dreißig Jahren. Heute ist das Haus am Platz der Einheit nicht mehr das, was es einmal war, sagt Dr. Ilse Schumann, die Frau, die maßgeblich am Konzept der Bibliothek beteiligt war, den Neubau am Kanal leitete und 16 Jahre als Direktorin der Einrichtung arbeitete. Die Bibliothek entstand in einer Zeit, als in Potsdam noch viel für Kultur und Bildung gemacht wurde, von allen Seiten wurde sie unterstützt, die finanzielle Förderung stimmte. Das sehe inzwischen leider anders aus. Wenig Mittel, Stellenabbau, schrumpfendes Literatur-Angebot. Wenn das so weitergeht, meint die einstige Direktorin, kann die Bibliothek ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht werden und sinkt in die Bedeutungslosigkeit. Stadt und Land erkennen nicht die kulturelle Bedeutung der Bibliothek für Kultur und Bildung – trotz Pisa, trotz der Bewerbung zur Kulturhauptstadt, sagt Schumann. Dabei habe die Einrichtung großes Entwicklungspotenzial mit in die Wendezeit gebracht. Der Neubau war damals erst auf der Grundlage des neuen Bibliothekskonzepts möglich, erzählt sie. Wissenschaftliche und öffentliche Bibliothek, die bis dahin an unterschiedlichen Standorten untergebracht und getrennt organisiert waren, wurden zusammengeführt. Die Bibliothek war damals ausgesprochen modern, erklärt sie. Man habe sich bei der Entwicklung an internationalen Standards orientiert. Und die kontinuierliche finanzielle Förderung machte es möglich, das hohe Niveau zu halten. Die Bibliothek hatte die gesamte Verlagsproduktion der DDR in ihren Regalen, weitere wissenschaftliche Literatur wurde über den Internationalen Schriftentausch bezogen. Mit Devisen wurden wichtige Standardwerke finanziert. An internationaler Belletristik bot die Bibliothek das, was in den DDR-Verlagen gedruckt wurde. Dann kam die Wende und mit ihr finanzielle Einschnitte, die den Bestand gefährden. Der aber ist das A und O einer Bibliothek. „Nur wenn aktuelle Literatur in den Regalen steht, ist eine Bibliothek für Nutzer attraktiv“, sagt Schumann. Zwar ist der Lack des Neubaus inzwischen ab, doch das Haus erfüllt nach wie vor seine Funktion. Sicher gebe es Sanierungsbedarf, nach der Wende sei zu wenig investiert worden. „Aber eine solche Bibliothek an einem solchen Standort gibt man nicht auf.“ Es wäre kurzsichtig und kein zukunftsweisendes Zeichen, wenn die Bibliothek in ein kleineres Gebäude, irgendwo im Stadtgebiet, ziehen müsste, meint die einstige Direktorin. Marion Hartig

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