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An der Potsdamer Universität wurde zum ersten Mal eine Professur nicht in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis überführt
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Der Fall ist ungewöhnlich. An der Universität Potsdam wurde einer zunächst befristet ernannten Professorin am Ende ihrer fünfjährigen Dienstzeit die Professur nicht auf Dauer übertragen. Das ist ein in Deutschland eher seltener Vorgang, die wenigen bekannten Fälle gehen auf gravierende dienstliche Verstöße zurück. Im Fall der Potsdamer Akademikerin sieht es allerdings anders aus. Das wissenschaftliche Renommee der Professorin, die den PNN namentlich bekannt ist, ist bestens. Erst vor kurzem legte sie zusammen mit einem Kollegen ein höchst angesehenes Handbuch vor. Ihr ehemaliger Vorgesetzter und die Studierenden sprechen sich für sie aus. Auch fühlte sich die Professorin in ihren Leistungen bestätigt, nachdem der Fakultätsrat mehrheitlich für die Entfristung ihrer Stelle stimmte, die sie seit 2007 inne hat. Gleichwohl kamen der Senat und die Universitätsleitung zu einem anderen Ergebnis.
Der Vorsitzende des Senats der Uni, Roland Oberhänsli, verteidigte gegenüber den PNN die Entscheidung. Ende März habe es ein eindeutiges Votum des Senats zur Nicht-Entfristung der Professur gegeben. Der Senat sei damit den Gremien gefolgt, die als Gründe die Nichteinhaltung der Regeln der Selbstverwaltung geltend gemacht hätten. Die Professorin habe nach mehrfacher Aufforderung an dem vorgeschriebenen Verfahren der Selbstevaluation nicht teilgenommen. Sie habe den Aufforderungen mehrerer Dekane nicht Folge geleistet, so Oberhänsli. Dass der Fakultätsrat der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät sich mehrheitlich für ihren Verbleib ausgesprochen habe, sei kein Kriterium für den Senat gewesen. In der Abstimmung hatte es vier Stimmen für eine Entfristung, drei dagegen und drei Enthaltungen gegeben. Für Oberhänsli ist es eine Frage der demokratischen Lesart, wie man das Ergebnis interpretiert. Es habe so viele Enthaltungen gegeben, dass die Entscheidung der Fakultät hinterfragbar gewesen sei.
Professor Manfred Rolfes, der Leiter des Institutes für Geografie, an dem die betroffene Professur angesiedelt ist, hatte sich vor der Sitzung des Fakultätsrates für die Entfristung der Stelle ausgesprochen. Dafür würden unter anderem die wissenschaftliche Qualität der Arbeit der Professorin, der hohe Grad an internationaler Sichtbarkeit und das im bundesdeutschen Vergleich deutlich überdurchschnittliche Drittmittelaufkommen in ihrem Bereich sprechen. Hinzu komme der Aufbau und die Betreuung einer engagierten Nachwuchsgruppe für die Fachdidaktik. Auf die Ablehnung der Entfristung reagierte er mit Unverständnis. Rückblickend auf fünf Jahre gemeinsamer Arbeit könne man keinerlei Verfehlung erkennen, die eine derart drastische Maßnahme rechtfertigen würde, schrieb er an den Präsident der Universität.
Die Professorin bemängelt nun, dass durch den Vorgang der Lehrbetrieb an der Hochschule leide. Studierende und Doktoranden müssten auf Seminare und die Betreuung der Professorin verzichten und zum Teil an andere Hochschulen ausweichen. Auch bei Kollegen im In- und Ausland habe die Nicht-Entfristung ungläubiges Kopfschütteln hervorgerufen, sie hätten zahlreiche Protestbriefe an die Unileitung verfasst. Wie von der Betroffenen zu erfahren war, soll die Angelegenheit nun juristisch aufgearbeitet werden.
Der Fachschaftsrat Geografie ist mit der Entscheidung gegen die Professorin ebenfalls nicht einverstanden. Sie sei international bestens vernetzt und habe in der Forschung die Universität vorangebracht. Zu Semesterbeginn habe man dann plötzlich ohne Professorin dagestanden, die bislang vier Lehrveranstaltungen abgedeckt hatte, sagte Bastian Schulz vom Fachschaftsrat. Das habe die Lehre erheblich gestört – nun würden die Doktoranden, die eingesprungen sind, unter starkem Zeitdruck stehen und mit ihren Dissertationen nicht mehr vorankommen. Ab Wintersemester soll eine Vertretungsprofessur gesucht werden. „Das stellt sich aber recht schwierig dar“, so Schulz.
Grundsätzlich kritisiert die Fachschaft, dass in den vergangenen Jahren die Geografie deutlich geschrumpft sei. Für die Professur für Humangeografie sei eine Professur Geografie und Naturrisikenforschung an anderer Stelle eingerichtet worden, die Studiengänge Humangeografie, Physische Geografie und Regionalwissenschaften seien abgeschafft worden. „Hier hat eine deutliche Reduktion stattgefunden“, meint Schulz. Freigewordene Kapazitäten der Geografie seien im Profilbereich Erd- und Umweltwissenschaften angesiedelt worden. Die Entwicklung geht nach Ansicht der Fachschaft hin zu einer stärker naturwissenschaftlichen Ausrichtung der Geografie. Darunter leide die Ausbildung der Geografielehrer.
Die Hochschulleitung argumentiert indes damit, dass das Votum des Senats sowohl für den Präsidenten der Uni als auch für das Wissenschaftsministerium bindend gewesen sei. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe bestätigt, dass die Entscheidung nicht rechtswidrig war, somit sei das Senatsvotum bindend. Als Gründe für die Aufhebung des Dienstverhältnisses nannte die Uni, dass die Evaluation der Leistungen der Professorin ergeben habe, dass diese nicht den an der Universität Potsdam gesetzten Qualitätsstandards in Forschung, Lehre und Selbstverwaltung entsprochen hätten. Es habe mehrfach Gespräche des Dekans der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät mit der Betroffenen gegeben. Sie sei während des gesamten Verfahrens in den Prozess der Meinungsbildung einbezogen gewesen. Strukturelle Gründe hätte es für die versagte Entfristung nicht gegeben. Die Professur Didaktik der Geografie bleibe bestehen. Eine Lehrstuhlvertretung sei bereits organisiert. „Die Geografielehrer-Ausbildung ist in keiner Weise gefährdet“, sagte Uni-Sprecherin Birgit Mangelsdorf. Sobald der anhängige Rechtsstreit beendet sei, werde die Professur ausgeschrieben.
Grundsätzlich halte man im Präsidium der Universität Potsdam die geltende Befristungsregelung für nicht zielführend, so die Sprecherin. Die Potsdamer Uni-Leitung plädiere daher, im Zuge der Novelle des Landeshochschulgesetzes für die komplette Abschaffung der Regelung. „Dessen ungeachtet ist in den laufenden Fällen nach geltendem Recht zu verfahren“, so die Sprecherin. Für die Potsdamer Uni ist dies der erste Fall, in dem eine Professur nicht entfristet wurde.
Die Befristungsvorschrift des Brandenburgischen Hochschulgesetzes von 2008, die dem Fall zugrunde liegt, ist umstritten. Sie besagt, dass bei einer Erstberufung zum Professor ein Beamtenverhältnis nur auf Zeit begründet werden soll. Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift wird von Juristen in Frage gestellt. Jeder erstberufene Professor sitzt in Brandenburg auf einem Schleudersitz, so die Verwaltungsrechtskanzlei Dombert, die die betroffene Professorin vertritt. Es bleibe der individuellen Handhabung überlassen, nach welchen Kriterien über die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses entschieden wird. Die Regelung habe erhebliche Auswirkungen auf die Wissenschaftsfreiheit der betroffenen Hochschullehrer: „Forschung und Lehre der jüngeren Professoren werden beeinflusst, wenn sie sich gutstellen müssen mit den für die Entfristungsentscheidung zuständigen Kollegen.“ Nicht zuletzt würde auch die Rechts- und Planungssicherheit der Hochschullehrer für ihren privaten und beruflichen Lebensweg abhanden kommen.
Auch unter Professoren an der Potsdamer Uni wird die Entwicklung sehr kritisch gesehen. Hier habe jemand eigentlich genau das gemacht, was erwartet wird, gibt ein Kollege der Betroffenen zu bedenken. Die Professorin habe Forschung, Internationalisierung und Drittmittel vorangetrieben und werde nun doch einfach vor die Tür gesetzt, vielleicht weil sie unkonventionell, unbequem oder kritisch sei. „Darin liegt enormer Zündstoff“, so der Uni-Dozent.
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