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Landeshauptstadt: Auf dem Sprung

Stuntman Andreas Tietz zertrümmerte sich beim Filmdreh die Schulter. Jetzt kämpft er dafür, wieder ganz fit zu werden

Von Sarah Kugler

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Sie sorgen dafür, dass Schauspieler im Film nach atemberaubenden Action-Szenen ohne eine Schramme in die Kamera lächeln können. Stuntmen sind die stillen Helden des Filmgeschäfts. Doch ihre Arbeit ist gefährlich. Nicht immer geht alles glatt.

Das musste auch Andreas Tietz erfahren. Der Potsdamer Stuntman, der unter anderem in „Die Bourne Verschwörung“ oder „Inglourious Basterds“ mitspielte, hat sich bei seinem jüngsten Dreh schwer verletzt. In den Alpen stand er für das Remake von „Point Break“, dem Film von 1991 mit Patrick Swayze und Keanu Reeves, vor der Kamera. Bei einem komplizierten Sprung mit dem Motorrad kam er falsch auf. Er zertrümmerte sich die Schulter. „Das Verrückte dabei war, dass ich den Sprung vorher mehrmals erfolgreich durchgeführt habe, ohne dass etwas passiert ist“, sagt Tietz. „Und als dann die Szene gedreht wurde, ist es passiert.“

Nach dem Unfall wurde er direkt vor Ort operiert. „Wir haben in einem Skigebiet gedreht, die haben Ärzte, die auf solche Fälle spezialisiert sind.“ Glück für ihn, denn es war eine komplizierte Operation. Vier Schrauben hat er jetzt in der Schulter, der Knorpel musste geklammert werden. Ob er jemals wieder vollständig belastbar sein wird, weiß Tietz nicht. Mit Hilfe von Physiotherapie und Schwimmtraining ist der Arm soweit regeneriert, dass er ihn schon wieder über den Kopf heben kann. „Bis nächstes Jahr April soll ich wieder fit sein“, sagt er. „Die Ärzte gehen von einer 70-prozentigen Wiederherstellung aus.“

Trotz der Verletzung und damit verfallener Engagements bei Projekten wie der neuen Produktion von Steven Spielberg in Potsdam blickt Tietz positiv in die Zukunft. „Aufgrund meiner Erfahrung kann ich auch als Stuntkoordinator arbeiten.“ Er werde aber nicht aufgeben und weiter hart arbeiten, um wieder fit für seinen alten Beruf zu werden. Die bisherigen Erfahrungen treiben ihn an.

Andreas Tietz arbeitete für den Hamburger „Tatort“ und wirkte in zwölf Hollywood-Produktionen mit. Unter anderem drehte er mit Schauspielgrößen wie Matt Damon, Charlize Theron oder Christoph Waltz. Besonders gerne erinnert er sich an die Dreharbeiten zu Tarantinos „Inglourious Basterds“, in dem er sowohl eine Rolle als Soldat hatte, als auch den deutschen Schauspieler Gedeon Burkhard während der Schießerei in der französischen Keller-Taverne doubelte. Filmlegende Tarantino hat ihn dabei höchstpersönlich beim Cast für den Film ausgewählt. „Das Casting hat gerade mal zehn Minuten gedauert“, erzählt der 1,80 Meter große Stuntman. „Ich kam rein, Tarantino wollte sehen, ob ich reinpasse, und dann war ich drin.“

Den Regisseur hat er als sehr besonderen Menschen erlebt. „Abends saßen wir immer alle zusammen und haben geredet“, so Tietz. „Tarantino ist schon ein bisschen durchgeknallt, aber super nett und perfektionistisch bis ins kleinste Detail.“ Bei der Filmpremiere hätte er sich auch noch an ihn erinnert und ihn gegrüßt.

Ins Schwärmen gerät Tietz, wenn er von seinen Begegnungen mit Schauspieler Christoph Waltz erzählt, mit dem er Seite an Seite für die Anfangsszene des Films drehte. Als der Schauspieler das erste Mal den Drehpausen-Wohnwagen von Tietz und seinen „Offizierskollegen“ betreten hat, waren die schon so in ihre Rolle gewachsen, dass sie automatisch Spalier standen. „Dann mussten wir natürlich alle total lachen, auch Waltz“, so Tietz. „Und das blieb so locker mit ihm. Der ist total ausgeglichen und dabei noch so ein Top-Schauspieler, einfach super.“

Insgesamt drei Monate war Tietz bei den Filmarbeiten zu „Inglourious Basterds“ dabei. Während des Drehs in Rüdersdorf für die dramatischen Szene, in der das französische Kino abbrennt, wurde es dann durchaus auch gefährlich, wie er erzählt. Obwohl alles perfekt durchchoreografiert war und Stuntleute durch sogenanntes Watergel auf der Haut vor Verbrennungen weitestgehend geschützt waren, brach Panik aus, als sich das Feuer in einer großen Walze von oben nach unten schob. „Das ging so schnell, dass man das kaum einschätzen konnte“, sagt er. „Aber zum Glück ist niemandem etwas passiert.“

In Potsdam ist Tietz auch durch seine Auftritte in der Stuntshow im Vulkan des Filmparks Babelsberg bekannt. Als heldenhafter Motorcrossfahrer kämpft er dort gegen die Bösewichte und beeindruckt das Publikum schon seit 16 Jahren mit seinen gewagten Sprüngen. Insgesamt arbeitet der 35-Jährige schon fast 20 Jahre als Stuntman – eine Zeit, die er selbst nicht so ganz fassen kann. „Das ist schon der Wahnsinn“, sagt er. „Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich gerade erst meinen ersten Stunt gemacht.“

16 Jahre alt war er, als er das erste Mal mit einem Cross-Motorrad über eine Reihe von Autos gesprungen ist. Über seine Mitgliedschaft in der Crossakademie sei er dazu gekommen. „Das war damals irgendeine Werbeaktion und ein Riesenspaß“, so Tietz. „Allerdings hatte ich da überhaupt noch nicht darüber nachgedacht, das mal als Beruf zu machen.“ Stattdessen machte er eine Lehre als Fliesenleger. Als er 20 Jahre alt war, fragte ihn der Filmpark Babelsberg für seine Show an und Tietz entschloss, sich als Stuntman selbstständig zu machen. Trotz des Unfalls hat er den Schritt nie bereut.

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