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STATIONEN: Auf den „Gipfel“ des Kellerberges

Dritte Wandertour der PNN-Aktion „Potsdam erleben“ mit über 30 Teilnehmern Forsthäuser und zweihundertjährige Buchen / Historische Lindenallee im Weltkulturerbe / Gärtnerlehranstalt und Kaiserbahnhof

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STATIONENDritte Wandertour der PNN-Aktion „Potsdam erleben“ mit über 30 Teilnehmern Forsthäuser und zweihundertjährige Buchen / Historische Lindenallee im Weltkulturerbe / Gärtnerlehranstalt und Kaiserbahnhof Von Günter Schenke Am Geisterbahnhof Pirschheide begann die Tour und hier endete sie nach über vier Stunden. Noch bis 1995 hieß die Station „Potsdam-Hauptbahnhof“. Jetzt bietet der Bahnhof ein verkommenes Bild: zerschlagene Scheiben, vernagelte und vergitterte Türen und Fenster, Uringeruch. Schmierereien wie die Buchstaben A.C.A.B., was in der Underground-Sprache soviel heißt wie „All Cops are Bastards“. Aus drei Bahnsteigen mit sechs Gleisen ist nur noch ein Bahnsteig mit einem einzigen Gleis für den Personenverkehr übrig geblieben. Die Zeiger der Bahnhofsuhr über der Fahrkartenausgabe stehen bewegungslos, einen Fahrplan gibt es nicht. Hans Palm, Vereinsvorsitzender der „Brandenburgischen Wanderfreunde Potsdam“ führte die dreißig Teilnehmer schnell an freundlichere Orte: Entlang am Templiner See ging es vorbei an den „Luftschiffen“ der früheren Sparkassenakademie, am „Seekrug“ und dem Trainingszentrum der Ruderer, dem Seminaris See Hotel und anschließend abseits des Ufers am beliebten Campingplatz Gaisberg. Am Forsthaus Südtor biegt die Wandertruppe dann in den eigentlichen Wildpark ein. „Das sind meine Freunde“, bemerkt der Wanderleiter und zeigt auf die mächtigen Stämme sehr alter Buchen und Eichen. Auf 500 bis 600 Jahre datiert er die Stämme, aber davon sind wohl einige Jahrhunderte abzuziehen. Nach Angaben des hier tätigen Vereins „pro Wildpark“ sind die Baumriesen über zweihundert Jahre alt. Am verfallen aussehenden Forsthaus Nord steht schon Wolfgang Altmann mit den Thermobehälter mit Erbsensuppe und Würstchen – nach einem zweistündigen Waldspaziergang durch Pirschheide und südlichen Wildpark eine sehr willkommene Stärkung. Zum zuvor passierten „Bayrischen Haus“ sagt Hans Palm etwas respektlos: „Das ist ’ne kleene Hundehütte“. Das Haus in traditioneller bayerischer Volksbauweise stammt aus dem Jahre 1847. Friedrich Wilhelm IV. ließ es auf dem großen Entenfängerberg, von dem ein herrlicher Rundblick möglich war, errichten. Ludwig Hesse arbeitete die Baupläne aus. Die „Hundehütte“ enthielt im Innern eine Kastellanswohnung und im oberen Stockwerk einen Saal sowie zwei Salons, deren Täfelungen aus Eichenholz, Palisander und Mahagoni bestand. Das Bayrische Haus, heute Hotel, ist zur DDR-Zeit durch einen Anbau erweitert worden und diente der SED als Gästehaus. Die Wanderer zeigen sich sehr angetan von den herrlichen Waldbeständen zu beiden Seiten des Weges. Der Wildpark ist ja nicht nur Landschaftsschutzgebiet, sondern Einzeldenkmal und steht sogar unter Unesco-Schutz. Vom 15. bis Ende des 18. Jahrhunderts diente er als Jagdgebiet. 870 Hektar umfasste die historische Fläche. Der Berliner Außenring der Bahn, der in den Jahren 1957 bis 1959 entstand und eine Voraussetzungen für den Mauerbau 1961 war, teilte den Wildpark. Der Bau einer 110-Kilovolt-Bahnstromleitung verbreiterte die Bahntrasse um weitere dreißig Meter. Ein weiterer Zerstörungsakt der Waldlandschaft droht, wenn das Vorhaben umgesetzt wird, die Bundesstraße 1 durch den Wildpark zu verlegen. Die Wandertruppe kam gerade recht zum Waldfest an der restaurierte Wildmeisterei, der jetzigen Waldschule. Oberbürgermeister Jann Jakobs war aus Anlass des Abschlusses der Restaurierung in den Wildpark gekommen und begrüßte auch die PNN-Truppe. „Sieht es nicht aus wie ein Schloss?“, deutete er auf den in der Sonne wie aus Alabaster gemeißelt aussehenden Persiusbau. Die Waldschule, die seit 1992 existiert, hält zahlreiche Angebote für Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen parat. Und sie bietet außerdem Arbeitsmöglichkeiten für das freiwillige ökologische Jahr. Nach dem Abstecher zur Wildmeisterei, war „Bergsteigen“ angesagt. 62 Meter hoch führt der steile Aufstieg auf den „Gipfel“ des Kellerberges und wie auf der Höhe richtiger Berge wartete oben die Belohnung: ein herrlicher Blick hinüber zum Park Sanssouci mit den Kuppeln des Neuen Palais, den Communs und dem Belvedere auf dem Klausberg. „Jetzt kommt eine der gefährlichsten Strecken der Wanderung“, kündigt Hans Palm am Rande des Wildparkes vor dem Betreten der schmalen und dicht befahrenen Chaussee des Werderschen Damms an. Nach glücklicher Passage dieser für Fußgänger gefährlichen Stelle wartet auf die Wanderer ein besonders schöner Weg auf der historischen Lindenallee mit dem in der Sonne liegenden „Dorf“ Eiche, das in den neunziger Jahren zur Stadt Potsdam kam. Die Lindenallee, die heute weitgehend wieder hergestellt ist, gehört zum Erweiterungsgebiet des Unesco-Weltkulturerbes. Seit 1993 gab es Gespräche der Stiftung Schlösser und Gärten sowie dem Potsdamer Amt für Denkmalpflege mit Vertretern des Welterbezentrums, in deren Ergebnis sieben Flächen dem Potsdamer Unesco-Kulturerbe-Gebiet zugeschlagen wurden. Dazu gehört auch das Gebäude und der Garten der königlichen Gärtnerlehranstalt, an der die PNN-Wandergruppe im letzten Teil ihrer Tour vorbei führte. An der Straße vom Bahnhof Wildpark zum Neuen Palais steht gegenüber dem Park Sanssouci das in lichtem Ocker getönte dreigeschossige Gebäude, das hinter den düsteren Eiben kaum auffällt. Kein geringerer als Peter Joseph Lenné betrieb die Einrichtung der Gärtnerlehranstalt, die schließlich im Jahre 1823 durch „Allerhöchste Cabinetts-Ordre“ Friedrich Wilhelms III. vom 20. August 1823 gegründet wurde. Sie war die erste öffentliche Lehrstätte dieser Art in Deutschland. Vorbei am Kaiserbahnhof, jetzt Bahnakademie, und am Bahnhof Wildpark, der jetzt den Namen Potsdam-Park Sanssouci trägt, passieren die Wanderer das im normannischen Stil errichtete Forsthaus „Sanssoucitor“, in dem sich heute das Tierheim befindet. Weiter geht es durch den Wildpark bis zum Übergang an der Bundesstraße 1 zum Bahnhof Pirschheide. Hier schließt sich der Wanderkreis. Und wer nicht mit dem Fahrrad oder dem Auto gekommen war, auf den wartet die Straßenbahn der Linie 94, die alle zwanzig Minuten den Geisterbahnhof anfährt. Start und Ziel waren der Bahnhof „Potsdam Pirschheide“, bis zum Jahre 1995 Hauptbahnhof. Bahnanlage und Gebäude verfallen immer mehr. Vorbei am schönen Ufer des Templiner Sees mit seinen Nachwende-Neubauten wie den „Luftschiffen“ der Sparkassenakademie und Seminaris See-Hotel ging es in den Wildpark. Am Forsthaus Nord, ein Bau von Ludwig Persius, hatten die Wanderer bei Erbsensuppe und Würstchen eine halbe Stunde Zeit zum Entspannen. Gegen Schluss der Wanderung ging es Schlag auf Schlag mit den Sehenswürdigkeiten: historische Lindenallee mit Dorf Eiche, Gärtnerlehranstalt gegenüber dem Park Sanssouci, Kaiserbahnhof und Forsthaus „Sanssoucitor“ mit Tierheim. G.S.

Günter Schenke

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