Von Jan Brunzlow: Auf den letzten Drücker enttarnt
Scharfenberg hat sich 1992 gegen eigene Stasi-Überprüfung ausgesprochen / Grüne und CDU sondieren für Oberbürgermeisterwahl
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Auf der Suche nach geeigneten Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl 2010 sondieren die Parteien derzeit die eigenen Reihen. Sah es bis vor kurzem alles nach einem Zweikampf zwischen Amtsinhaber Jann Jakobs (SPD) und Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) aus, so wird Scharfenberg immer mehr von seiner Vergangenheit als Stasi-Spitzel und seinem Umgang damit nach der Wende eingeholt. Denn aus einem Schreiben des damaligen Stadtpräsidenten Helmut Przybilski (SPD) aus dem Jahr 1992 geht hervor, dass Scharfenberg nach der Wende aktiv versuchte, seine Enttarnung als Stasi-Spitzel zu verhindern: Laut dem Przybilski-Schreiben war Scharfenberg 1992 einer von sieben Stadtverordneten, die „schriftlich erklärt haben, dass sie mit einer Überprüfung durch den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR nicht einverstanden sind“. Scharfenberg wollte sich demnach nicht überprüfen lassen.
Die Potsdamer Stadtverordneten hatten bereits 1991 einen Beschluss gefasst, dass eine Arbeitsgruppe eingesetzt wird, die sich mit dem Thema „Verfahrensweise der Behandlung der Bescheide der Gauck-Behörde befasst“. Die ersten Akten aus der Behörde sind im Oktober 1992 gesichtet worden. Scharfenberg gab seine IM-Tätigkeit auch erst drei Jahre später zu. Er selbst machte sie zudem erst öffentlich, nachdem seine Akte der Gauck-Behörde über IM „Hans- Jürgen“ bei der Arbeitsgruppe der Potsdamer Stadtverordneten eingetroffen war – seine Enttarnung also nicht mehr zu verhindern war.
Nun wird Scharfenberg zudem vorgeworfen, er habe gegen den PDS- Parteitagsbeschluss vom Juni 1991 gehandelt, in dem die Offenlegung der Stasi-Vergangenheit vor Wahlen von den Kandidaten verlangt wird. Scharfenberg kandidierte 1993 bei der Kommunalwahl in Potsdam.
Erst Ende vergangener Woche hat der Linke-Kreischef Günther Waschkuhn einen Plan B zur Scharfenberg-Kandidatur in Aussicht gestellt. Bis Ende Februar soll geklärt sein, ob es einen anderen Kandidaten gibt. Über die Nominierung zum Oberbürgermeister-Kandidaten entscheiden die Delegierten Potsdamer Linken im Frühsommer. Bislang sind für die SED-Nachfolgepartei in Potsdam Rolf Kutzmutz, Anita Tack und Hans-Jürgen Scharfenberg zu Oberbürgermeisterwahlen angetreten. Kutzmutz, der 1993 kurz vor der Stichwahl als IM „Rudolf“ enttarnt und danach von den Fraktionen aufgefordert worden war, sein Stadtverordnetenmandat niederzulegen, unterlag dem SPD-Kandidaten Horst Gramlich. Tack, heute Umwelt- und Verbraucherschutzministerin des Landes Brandenburg, erreichte 1998 etwa 24,5 Prozent und verlor gegen Matthias Platzeck (SPD – 63,5 Prozent). Und 2002 sicherte sich Jann Jakobs (SPD) mit 122 Stimmen Vorsprung in der Stichwahl den Sieg gegen Hans-Jürgen Scharfenberg. Sieben Kandidaten sind vor acht Jahren zur Wahl angetreten.
Der Fraktionschef der Bündnisgrünen, Nils Naber, hält einen erneute Kandidatur Scharfenbergs für „nicht opportun“. Die Partei wäre gut beraten, wenn sie ihn nicht aufstelle. Die Grünen selbst würden sich mit der Entscheidung über einen eigenen Kandidaten bis Mitte des Jahres Zeit lassen. Ebenso sucht die CDU nach einem Oberbürgermeister-Kandidaten. Sowohl die Kreis-Vorsitzende Katherina Reiche als auch die Fraktionschefin der Landtagsfraktion, Johanna Wanka, haben eine Kandidatur bereits abgelehnt. Für die CDU ist bei den letzten Wahlen Wieland Niekisch angetreten. Jan Brunzlow
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