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Trockene Aussichten. Forscher erwarten, dass der Klimawandel für Millionen von Menschen das Wasser knapp werden lässt.

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Aktuelle Studien des PIK zeigen, dass durch den Klimawandel Wasser für Hunderte Millionen Menschen knapp werden könnte

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Der Klimawandel bringt bisweilen paradoxe Prozesse mit sich. Während nach Prognosen des aktuellen Berichts des Weltklimarates (IPCC) der Lebensraum von Hunderten Millionen Menschen durch zu viel Wasser – den steigenden Meeresspiegel – bedroht ist, könnten in anderen Regionen ebenso viele Menschen von Wasserknappheit betroffen sein. Aus einer kürzlich in den „Environmental Research Letters“ veröffentlichten Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) geht hervor, dass selbst bei einer Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad über dem vorindustriellen Wert bis 2100 rund 500 Millionen Menschen von zunehmender Wasserknappheit betroffen sein könnten. Hinzu komme eine drastische Destabilisierung von Ökosystemen wie der sibirischen Tundra und indischen Grasländern.

Das PIK hat zu dem Themenkomplex aktuell drei sich ergänzende Studien vorgelegt. Sie besagen, dass bei einer ausbleibenden Verringerung der Treihausgasemissionen die Zahl der von Dürre und Trockenheit betroffenen Menschen sogar noch um 50 Prozent steigen werde. Zudem würden nahezu alle eisfreien Gebiete bei einer globalen Erwärmung von fünf Grad von schwerwiegenden Veränderungen der Ökosysteme betroffen sein. Das könne zum Beispiel das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten betreffen, aber auch die Verlagerung der Baumgrenze in Richtung der Pole oder höherer Gebirgslagen. Auch der Aufwuchs von Vegetation, also Biomasse, in Wüstenrandgebieten oder Schädlingsbefall nennen die Forscher. Solche Veränderungen könnten positive wie auch negative Folgen haben. Letztlich würden sie aber eine Entwicklung ins Ungewisse bedeuten.

In der Studie zur Wasserknappheit gehen die Wissenschaftler bereits beim von der internationalen Gemeinschaft vereinbarten Zwei-Grad-Ziel der Erderwärmung davon aus, dass acht Prozent der Menschheit zusätzlich neuer oder erhöhter Wasserknappheit ausgesetzt sein dürften. Bei einer Erwärmung um 3,5 Grad, die bei Einhaltung der zugesagten Emissionsreduktionen erwartet wird, wären bereits elf Prozent der Weltbevölkerung von Wassermangel betroffen, bei fünf Grad Erwärmung sogar 13 Prozent.

„Hält das Bevölkerungswachstum weiter an, wäre das gegen Ende des Jahrhunderts und bei einem Business-as-usual-Klimaszenario mit weit mehr als einer Milliarde betroffener Menschen gleichzusetzen“, erklärte Dieter Gerten, Leitautor der Studie. Dies komme zu der Milliarde Menschen hinzu, die bereits heute in wasserarmen Gebieten leben. Als besonders verwundbare Regionen nennen die Klimaforscher Teile Asiens und Nordafrikas, des Mittelmeerraums und des Nahen Ostens.

„Der Anstieg der Wasserknappheit wird sich unserer Studie zufolge auf die Lebensgrundlage vieler Menschen auswirken, wobei die Armen am stärksten betroffen sein werden“, sagte Hans Joachim Schellnhuber, einer der Ko-Autoren und Direktor des PIK. Diese Auswirkungen des Klimawandels ließen sich zwar teilweise durch Anpassungsmaßnahmen wie die Ausweitung bewässerter Anbauflächen abfangen. Dies wiederum würde allerdings den Druck auf die Ökosysteme und die Wasserressourcen der Erde weiter erhöhen. Schellnhuber spitzt die Aussagen der Studie zu: „Hier geht es nicht um Gänseblümchen, sondern um unser einzigartiges natürliches Erbe und unsere Lebensgrundlage. Deshalb müssen die Treibhausgasemissionen drastisch reduziert werden, und das bald.“

Die Gebiete, denen umfangreiche Veränderungen der Ökosysteme bevorstehen, dürften sich nach Erwartung der Wissenschaftler bei einer Erwärmung von drei bis vier Grad verdoppeln. Zu den durch ungebremste globale Erwärmung besonders gefährdeten Regionen zählen Forscher die Grasländer im östlichen Indien, die Steppen des Hochlands von Tibet, die Wälder Nordkanadas, die Savannen Äthiopiens und Somalias sowie den Amazonas-Regenwald. Viele dieser Regionen verfügen über eine reiche und einzigartige Biodiversität. „Trotz Unsicherheiten zeigen die Ergebnisse sehr klar, dass es für die globalen Ökosysteme einen gewaltigen Unterschied macht, ob man von einem Szenario ohne Klimaschutzmaßnahmen oder einem Szenario mit ehrgeizigem Klimaschutz ausgeht“, erklärte Sebastian Ostberg, Leitautor einer der Studien. Die Ergebnisse der Untersuchungen stützen die Annahme der Forscher, dass die Auswirkungen des Klimawandels die natürlichen Systeme der Erde grundlegend destabilisieren. „Wir lassen damit die Welt, wie wir sie kennen, hinter uns“, sagte Wolfgang Lucht, einer der Autoren und Leiter des Forschungsbereichs Erdsystemanalyse am PIK.

Dass der seit 1998 verlangsamte Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur die Folgen der Erwärmung dämpfen könnte, erwarten die Potsdamer Klimaforscher indessen nicht. Vielmehr handele es sich bei der Stagnation der Temperatur auf hohem Niveau um eine Pause mit absehbarem Ende. PIK-Direktor Schellnhuber hatte die verlangsamte Erwärmung unlängst darauf zurückgeführt, dass tiefere Schichten der Ozeane seit dem großen El-Niño-Ereignis zum Jahreswechsel 1997/98 mehr Wärme aufgenommen haben als zuvor. Nach wie vor verbleibe aber mehr Energie in der Atmosphäre, als wieder hinausstrahle. Wenn die Erwärmung der tieferen Meeresschichten abgeschlossen ist, werde sich die Oberfläche wieder erwärmen. „Und zwar schneller als zuvor“, erwartet Schellnhuber.

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