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INTERVIEW: Auf der Suche nach Streit „Wir brauchen mehr Wettbewerb“

Brandenburgische Architekten scheuen sich nicht vor der Auseinandersetzung Am kommenden Sonntag kann man das hautnah erleben – landesweit

Stand:

Wer einmal mit einem Architekten längere Zeit auf Besichtigungstour durchs Brandenburgische unterwegs war, der hat einen Schnellkurs hinter sich – in den Grundlagen des vornehmen, zurückhaltenden Spotts. Gelacht wird dabei nicht. Offen gehetzt auch nicht. Die Augenbraue, sie macht’s – beim Betrachten eines Wohnhauses wird sie hochgezogen. Das muss reichen als Bewertung. Vielleicht ein paar kritische Bemerkungen und ein Kopfschütteln beim Durchfahren kleinerer Ortschaften wie Storkow oder Bad Saarow. An Wohnhäusern vorbei, die es tausende Male in Deutschland gibt, gebaute Einheitsware. „Wie hübsch, Türmchen an der Ecke“, sagt dann einer. Nur: Hübsch ist nicht schön, „hübsch“ ist das „Nett“ der Architektur. „Am besten noch drei Türmchen nebeneinander mit verschiedenen Dachfarben.“ Gemäßigtes Lachen. Nicht alles Gebaute ist Architektur.

Architekten mögen keinen Gleichschritt. Sie mögen Provokation, Herausforderungen, Kopfzerbrechen und am Ende, dass der Kunde mit offenem Mund stehen bleibt, sagt der Cottbuser Architekt Christian Keller: „Das gibt den Kick.“ Keller hat die Friedenskirche in Frankfurt (Oder) zu einem Veranstaltungsort des Vereins Ökumenisches Zentrum gemacht. Am Sonntag wird auch dieser Bau zum Tag der Architektur präsentiert. Als eines von 44 neu entstandenen oder umgebauten Gebäuden im Land Brandenburg steht sie für Neugierige offen. Streitgespräche sind ausdrücklich erwünscht, sagen die Architekten. Sie und Bauherren werden überall in Brandenburg vor Ort sein.

Dass den Kirchenbau in Frankfurt in den vergangenen 500 Jahren ein neuer Architekt betreten hat, sieht man zunächst nicht. Erst der Gang zur Toilette lässt fast vergessen, was man eigentlich dort wollte. In einem der zwei Türme hat Architekt Christian Keller auf gefühlten zehn Quadratmetern Grundfläche drei Toilettenräume und eine Küche untergebracht. Und man schafft es sogar noch auf die ehemalige Orgelempore beim Gang aufs Örtchen: Der Planer hat die Toiletten und die Küche als Holz-Glas-Boxen einfach versetzt übereinander an die Wände des Turms gehängt und sie durch schmale Treppen verbunden.

Es ist kein Wettbewerb der schönsten oder am meisten durchgestylten Bauwerke, der am Tag der Architektur in Brandenburg veranstaltet wird, sagt Bernhard Schuster, Präsident der brandenburgischen Architektenkammer. Auch in Kategorien hat die Jury bei ihrer Auswahl nicht unterteilt. Es sei keine Rücksicht genommen worden darauf, dass der ländliche und städtische Anteil ausgeglichen ist. Und auch nicht die Höhe der Baukosten oder der Landkreis seien wichtig gewesen. „Der kreative Ansatz muss erkennbar sein“, sagt Schuster. Funktionalität spiele eine Rolle und natürlich auch das Zusammenspiel in der Umgebung. Es sei auch schon vorgekommen, dass sich eine Stadt mit fünf verschiedenen Projekten beworben hatte, die Jury aber alle für unwürdig hielt. „Da hat mich der Baudezernent am Telefon zur Schnecke gemacht“, erinnert sich Schuster – und lächelt. „Genützt hat’s ihm nichts.“

Auch das Philosophische kommt während einer Architektenreise nicht zu kurz. „Was käme dabei heraus, wenn man Architektur per Volksabstimmung entstehen ließe“, fragt ein Architekt auf der Vorbesichtigungstour der Architektenkammer. Gäbe es dann womöglich nur noch Einheitsbrei oder ein kunterbuntes Durcheinander? Und was von beidem wäre schlimmer? Die Antwort liegt für Architekten in dem, was sie von der öffentlichen Hand seit Jahren fordern: Mehr Wettbewerb für Planungsentwürfe (siehe Interview). Nur durch solche Ausschreibung könne das Maximum an Ideen herausgeholt und am Ende meist auch noch Geld gespart werden.

Seit Ende der 90er Jahre schreibt die Europäische Union in der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen vor, wie öffentliche Planungsleistungen zu vergeben sind. Ihre Kammer beklagt, dass dabei die Baukultur auf der Strecke bleibt und es einen Mangel an Wettbewerb bei der Vergabe von Planungsleistungen gibt. Warum?

Weil der kreative Ansatz wegfällt, wenn man sich allein strikt an die europäische Richtlinie hält. Die öffentliche Hand hat zwar großen Anspruch an die Baukultur. Das ist aber zuvorderst Planungskultur. Und dies bedeutet, in Alternativen zu denken. Die fallen aber weg, wenn kein klassischer Wettbewerb stattfindet.

Und stattdessen ?

wird vorwiegend nach den technischen Kompetenzen gefragt. Die Referenzen werden bei der Vergabeordnung extrem gewichtet, also das, was ein Büro schon mal geplant hat. Dabei kommen zuweilen absurde Anforderungen ins Spiel. Eine brandenburgische Kommune machte zum Beispiel in einer Ausschreibung für den Neubau einer Polizeiwache zur Bedingung, dass das Architektenbüro schon zwei Artikel darüber in einer Fachzeitschrift veröffentlicht haben muss. Solch einen Beitrag

gab es aber gar nicht.

Wie oft finden noch Architektur-Wettbewerbe im klassischen Sinne statt?

Wir hatten in Brandenburg in den vergangenen sieben Jahren vielleicht im Schnitt fünf Wettbewerbe jährlich. In den 90er Jahren waren es noch rund 20. Das waren zum großen Teil auch private Investoren, die es heute nicht mehr gibt. Aber auch bei den Städten gibt es Wettbewerbe kaum noch.

Und warum sträuben sich die Kommunen dagegen?

Weil man sich inhaltlich mit den Projekten auseinandersetzen, sie aufschreiben, veröffentlichen und auswerten muss. Offiziell kommt ja aus den Ministerien die Verlautbarung, dass es wieder mehr Wettbewerb geben soll. Auch Ministerpräsident Platzeck hat das schon gesagt. Passiert ist bis jetzt nicht viel. Dann spielt natürlich das Geld eine Rolle. Bei öffentlichen Gebäuden werden Planungsleistungen, Bauleistungen und sogar die Möbel gefördert. 70 Prozent kamen beim sanierten Institut für Gemüse und Zierpflanzen in Großbeeren allein von der EU. Dazu Geld vom Land und dem Bund. Ein Wettbewerb, der rund zwei Prozent der Baukosten ausgemacht hätte, wird aber nicht subventioniert.

Das kann aber bei einer Millionensumme trotzdem viel Geld sein.

Aber unterm Strich spart man wesentlich mehr ein. Weil man durch die Abwägung der Alternativen zu einer kostengünstigeren Lösung kommen kann, und weil Effizienz ein geldwerter Vorteil ist. Am Ende erreicht man dadurch auch einen stabileren politischen Konsens.

Soll man jetzt die Vergabeordnung ihrer Meinung nach ändern?

Nein, die Förderrichtlinien des Landes würden schon reichen.

Bernhard Schuster

ist Präsident der

Brandenburgischen

Architektenkammer und arbeitet in

Frankfurt (Oder).

Mit ihm sprach

Andreas Wilhelm.

Andreas Wilhelm

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