Landeshauptstadt: Auf Golmer Baustelle droht Streik
Industriegewerkschaft Bau informierte auf Baustelle Max-Planck-Campus über Arbeitskampfmaßnahmen
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Golm – 9,80 Euro Mindestlohn für Bauhelfer und 10,70 Euro für Fachkräfte – das sind die Forderungen der IG Bau-Agrar-Umwelt an die Arbeitgeber der Bauwirtschaft. Gestern informierten Gewerkschaftsvertreter auf der Baustelle des Wissenschaftsparks Golm, dass die Verhandlungen, um diese Ziele durchzusetzen, ohne Ergebnis vertagt worden seien. „Wir werden Arbeitskämpfe führen müssen“, kündigt Jörg Schütte, Gewerkschaftssekretär beim Bezirksverband Mark Brandenburg an.
Die Gewerkschaftsvertreter nutzen die Frühstückspause, um mit den Arbeitern des Tiefbau- und Ausbaugewerbes zu sprechen. Im kleinen Imbiss an der Straße Am Mühlenberg drängten sich Belegschaftsvertreter. Es gehe nicht nur um den Mindestlohn, sagt ein Fliesenleger der Berliner Ausbau GmbH, sondern auch um das Hochschrauben der Akkordnorm. Vor zehn Jahren waren noch eine Stunde und 18 Minuten für einen Quadratmeter Fliesenfläche angesetzt, jetzt müsse der Fliesenleger die gleiche Fläche in 30 Minuten fertig stellen. Als Berliner Arbeitnehmer sei er noch gut dran, denn er verdiene zwei Euro pro Stunde mehr als sein Kollege aus dem Land Brandenburg.
„Auf derselben Baustelle wie hier in Golm gibt es für gleiche Arbeit unterschiedliche Löhne – das ist ein Unding“, sagt IG-Bau-Sekretär Ulf Kleipödszus. Ebenso ungerecht sei es, dass jenseits der Glienicker Brücke zwei Euro mehr pro Stunde verdient werden als in Potsdam. Ziel sei daher, die Löhne in Ost und West anzugleichen: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Viele Bauhandwerker könnten kaum noch ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Kontrollen hätten ergeben, dass Maler mit 6,47 Euro und die Frauen mit noch weniger abgespeist werden. Kleipödszus spricht von der „Angst der Belegschaften“ vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, wenn sie sich am Arbeitskampf beteiligen. „Wenn Ihr da hingeht, könnt Ihr gleich nach Hause gehen“, würde ihnen vom Arbeitgeber gedroht. Trotzdem hat der Gewerkschaftssekretär keine Sorge, dass sich die Belegschaften wie schon bei früheren Arbeitskämpfen im März an ersten Warnstreiks beteiligen. Zirka hundert Baustellen in Potsdam würden davon erfasst werden.
Schütte kritisiert die Landesregierung wegen deren Vergabepraxis bei öffentlichen Aufträgen. Bei der Forderung nach einem Tariftreuegesetz gebe es bisher kein Entgegenkommen. Von Ministerpräsident Matthias Platzeck sei nicht mehr als ein Lächeln erfolgt und seine Mitarbeiter würden die Tariftreue „auf der Basis des Mindestlohns“ anbieten. Im Land Brandenburg stehe die Frage „Wer ist am Billigsten?“ bei der Vergabe von Aufträgen im Vordergrund. Die Folge: Arbeitgeber, die sich an den Tariflohn halten, werden vom Markt verdrängt.
Die IG Bau-Agrar-Umwelt scheint entschlossen, ihre Mindestlohn-Forderungen und das Abreißen der „Lohnmauer“ zwischen Ost und West mit allen Mitteln durchzusetzen.. Nicht nur in Golm, sondern auch auf anderen Baustellen versuchten sie gestern, die Beschäftigten auf die bevor stehenden Arbeitskämpfe einzustimmen. „Die Situation ist sehr hart“, sagt Schütte. Die Arbeitgeber wollen sogar den Mindestlohn für Facharbeiter streichen. Die Folgen könnten verheerend sein, „denn wen interessiert schon eine Facharbeiterausbildung, wenn nicht einmal der Mindestlohn gezahlt wird?“ Facharbeiter im Osten dürften nicht schlechter bezahlt werden als Hilfsarbeiter im Westen.
Günter Schenke
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