
© Archiv/A. Klaer
Von Erik Wenk: Auf gute Nachbarschaft
Im Stadtteil Schlaatz gedeihen immer mehr innovative soziale Projekte
Stand:
Brennpunkt Schlaatz. Der Ruf des Potsdamer Stadtteils ist in manchen Köpfen immer noch geprägt von fremdenfeindlichen Straftaten, Gewalt und Verwahrlosung – ein Bild, das aus der Mitte der 90er Jahre stammt und womit der Schlaatz als Problemstadtteil bekannt wurde. Dabei haben nicht zuletzt sozial engagierte Menschen Vorbildliches geleistet: Gleich zwei soziale im Stadtteil angesiedelte Projekte wurden in diesem Jahr mit dem Integrationspreis der Landeshauptstadt geehrt.
Den ersten Preis gewann die vom Verein Soziale Stadt e.V. organisierte „1. Schlaatzer Nachbarschaftskonferenz“. Motto: „Nachbarn leben miteinander“. Klingt logisch, ist aber nicht immer selbstverständlich. Das Projekt versuchte, der Nachbarschaftsgemeinschaft im Schlaatz eine Stimme zu geben: Von Januar bis Juni diesen Jahres wurden rund 180 Anwohner durch 20 ehrenamtliche Interviewer befragt: „Die Befragten sollten dazu eingeladen werden, Geschichten zu erzählen, was sie unter guter Nachbarschaft verstehen, was sie am Schlaatz am meisten wertschätzen, was sie bewahren wollen, was Neues hinzukommen soll“, sagt Friedrich Reinsch, Geschäftsführer des Vereins Soziale Stadt Potsdam. Die gesammelten Ergebnisse waren die Grundlage für eine zweitägige Nachbarschaftskonferenz im Juni, bei der die Befragten selbst von ihren Erfahrungen erzählten und 14 Nachbarschafts-Projekte beschlossen wurden: „Dazu gehören neue Sportveranstaltungen, ein Gesprächsnetzwerk, ein Kieztheater von professionellen Schauspielern aus Togo, der Ukraine, Nigeria oder Russland, die hier im Schlaatz wohnen, eine Senioren-Arbeitsgemeinschaft und ein Stadtteilradio, das in Zusammenarbeit mit Radio Multikulti zunächst eine Stunde pro Woche senden soll“, sagt Reinsch. Die Resonanz auf die Konferenz sowie auf die Projekte sei unerwartet groß gewesen, freute sich Reinsch, und fügte an: „Dabei ist sogar ein eigener Schlaatz-Song entstanden, also unser eigenes Nachbarschaftslied.“ Die Konferenz soll fortgeführt werden und das nächste Mal im Februar erneut stattfinden.
Während die Nachbarschaftskonferenz erst ein Jahr alt ist, feierte der Gewinner des dritten Platzes des Integrationspreises, der Integrationsgarten am Schlaatz, dieses Jahr schon sein 10-jähriges Jubiläum. Das Projekt zeichnet vor allem Durchhaltewillen aus. Bereits acht Brand- und Vandalismusanschläge von mutmaßlich rechtsextremistisch gesinnten Tätern musste der Garten verkraften. Dabei ist unter anderem auch die Laube bis auf die Grundmauern abgebrannt und musste wieder aufgebaut werden. Trotz dieser Widrigkeiten wurden während dieser Zeit auf dem 3500 Quadratmeter großen Gelände zahlreiche Projekte realisiert werden: Anlegung einer Streuobstwiese, der „Pfad der Sinne“ oder die sehr beliebten „Backtage“ am selbst errichteten Lehmofen. Deutsche Familien und Familien aus der Ukraine, Litauen, Ungarn, Kosovo, Rumänien, Vietnam oder Afrika gärtnern gemeinsam in dieser grünen Oase, aber auch wer einfach Ruhe und Entspannung sucht, ist beim Integrationsgarten genau richtig. Um den Garten noch bekannter zu machen und das Wohngebiet noch stärker als bisher daran teilhaben zu lassen, wurden dieses Jahr unter dem Titel „Grün bewegt – Integration am Schlaatz“ verschieden Aktionen gestartet: Unter dem Stichwort „Überflussgarten“ wurden in Zusammenarbeit mit Schülern der benachbarten Weidenhof-Grundschule mehrere öffentliche „Naschgärten“ mit Obstbäumen, sowie eine „essbare Hecke“ aus Beerensträuchern angelegt, bei denen sich jeder bedienen kann, der mag. Der Integrationsgarten soll über sich hinauswachsen: Dazu zählte vor allem die Anlegung erster Gartenparzellen auf dem Gelände des Asylbewerberheims am Nuthetal. All das soll zur Schaffung eines „Grünen Netzwerkes“ beitragen, das den Schlaatz als einen Ort der Natur sichtbar machen soll, heißt es von Seiten des Brandenburgischen Kulturbundes e.V., dem Träger des Integrationsgartens.
Ebenfalls dieses Jahr erfolgte der Ausbau des „Schülertrainings“ vom Selbsthilfe-, Kontakt- und Informationszentrums e.V., das im November durch einen Kooperationsvertrag eine neue „Außenstelle“ im Haus der Generationen und Kulturen am Schlaatz erhielt. Das Schülertraining wird ausschließlich von Ehrenamtlern durchgeführt und ermöglicht es sozial benachteiligten Schülern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Schlaatz, kostenlos Hilfe bei schulischen Problemen zu finden. Dies sind nur drei Beispiele, wie durch engagierte Projekte im Schlaatz aktiv sozialer Zusammenhalt, Integration und das Stadtklima gefördert werden sollen. Längst hat auch der „Problemstadtteil“ seinen Anteil an der viel zitierten Lebensqualität Potsdams.
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