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Ulrike Herzschuh erforscht die Klimageschichte im tibetischen Hochland und wurde dafür als Nachwuchswissenschaftlerin 2007 ausgezeichnet. Jetzt ist der Preis erneut ausgeschrieben

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Die Nachrichten aus dem Tibet hinterlassen Ratlosigkeit. Erst im vergangenen Winter war Ulrike Herzschuh dort im Hochland unterwegs, gemeinsam mit Chinesen und Tibetern. 4000 Meter über dem Meeresspiegel schien ihr der schwelende Konflikt so fern wie hier in Deutschland.

Prof. Ulrike Herzschuh ist Biologin am Potsdamer Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Brandenburgische Nachwuchswissenschaftlerin des Jahres 2007. Auf dem Tibetplateau am Qinghai-See, einem der größten Salzseen der Erde, erforscht sie, unter welchen klimatischen Bedingungen sich bestimmte Vegetationstypen in der Vergangenheit entwickelt haben und sucht Vergleiche dafür in der heutigen Vegetation und dem jeweils herrschenden Klima. Pollen in Seesedimenten geben ihr darüber Auskunft.

Schon einmal, im frühen Holozän, herrschten hier ein bis zwei Grad höhere Temperaturen, so wie sie in Zukunft durch die globale Erderwärmung zu erwarten sind. Aus den Vergleichen mit der Vergangenheit lässt sich in etwa abschätzen, was dies für Tibet bedeuten würde. Höhere Temperaturen, weiß Ulrike Herzschuh, bringen bis zu 50 Prozent mehr Niederschläge mit sich. In einer Region, in der die großen Flüsse Asiens entspringen – Mekong, Jangtse und Gelber Fluss – sind die Folgen absehbar. „Der Monsunkreislauf verändert sich, es fließt mehr Wasser ab und so könnten die Flüsse häufiger über die Ufer treten“, schildert die Biologin ein mögliches Szenario, das zunächst jedoch von Klimamodellierern überprüft werden muss.

Aus der Vegetationsgeschichte Rückschlüsse auf künftige Entwicklungen zu ziehen, reizt Ulrike Herzschuh an der Paläoklimaforschung. Mehrmals ist sie für ihre Forschungen nach Tibet gereist, hat Daten gesammelt, chinesisch gelernt und schließlich ihre Doktorarbeit geschrieben. In Potsdam sind ihre Ergebnisse nicht nur mit einer Juniorprofessur an der Universität gewürdigt worden, sondern auch mit dem Nachwuchswissenschaftlerpreis des Landes Brandenburg, den Ministerin Johanna Wanka im vergangenen Jahr zum ersten Mal verlieh und in diesen Tagen erneut ausgeschrieben hat.

Ein Preis, der Renommee bringt und Türen aufschließt in die Öffentlichkeit, die noch immer zu wenig über Forschungsarbeiten wie diese erfährt. Der 32-jährigen Forscherin hilft der Preis natürlich auch, beruflich voranzukommen. Immerhin ist Ulrike Herzschuh von einer exzellent besetzten Jury ausgewählt worden. Matthias Kleiner, der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, und Günter Stock, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, gehörten zu den Juroren. Als wissenschaftlich arbeitende Mutter bald zweier Kinder braucht sie nicht nur die Unterstützung ihres Ehemannes, der sich die Elternzeit mit ihr teilt, sondern eben auch öffentliche Anerkennung und Förderung.

Die 20 000 Euro als Preisgeld erhielt Ulrike Herzschuh zur freien Verfügung. Sie hätte sich dafür ein Auto kaufen, etwas Luxus gönnen oder die Ausstattung für ihr zweites Kind anschaffen können, das sie im Frühsommer zur Welt bringen wird. Die junge Wissenschaftlerin aber denkt anders. Sie will die Prämie in die Forschung investieren, möglichst so, dass sich die Summe noch vergrößert. Mit dem Geld als privaten Eigenanteil beantragt sie eine Doktorandenstelle und wirbt hierfür die entsprechende Kofinanzierung ein. Klappt es, dann hat sie nicht nur etwas für den wissenschaftlichen Nachwuchs getan, sondern auch einen Mitarbeiter im eigenen Forschungsfeld gewonnen.

Ihr Arbeitsschwerpunkt hat sich inzwischen etwas weiter in den Norden, in die Permafrostgebiete Sibiriens verschoben, eine noch wenig verstandene Schlüsselregion für den globalen Klimawandel, die das AWI gemeinsam mit russischen Polarforschern erkundet. Aber auch nach Tibet plant Ulrike Herzschuh noch in diesem Jahr eine weitere Expedition. Sollte es die Lage im Land zulassen, werden sich Mitarbeiter ihrer Arbeitsgruppe wieder in die Höhen des Tibetplateaus begeben, genau in der Zeit, in der in Potsdam der Nachwuchswissenschaftlerpreis 2008 verliehen wird.

Antje Horn-Conrad

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