Landeshauptstadt: „Auf Kosten der Bürger dieser Stadt“ Gemischte Reaktionen auf Einigung im Steuerstreit
Freude in Potsdam-West, Kritik aus der Opposition, der Wirtschaft und vom städtischen Hans Otto Theater: Der von der Rathauskooperation gefundene Kompromiss für den städtischen Haushalt sorgt für gemischte Reaktionen.Die Industrie- und Handelskammer (IHK) reagierte mit deutlicher Kritik.
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Freude in Potsdam-West, Kritik aus der Opposition, der Wirtschaft und vom städtischen Hans Otto Theater: Der von der Rathauskooperation gefundene Kompromiss für den städtischen Haushalt sorgt für gemischte Reaktionen.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) reagierte mit deutlicher Kritik. Für die Unternehmen bedeute die höhere Gewerbesteuer nach der Einführung des Mindestlohns die nächste Belastung, sagte der Potsdamer IHK-Regionalleiter Tilo Schneider den PNN. In Städten wie Berlin oder Dresden müsse nun weniger Gewerbesteuer als in Potsdam gezahlt werden, rechnete er vor: „Das schadet der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes.“
Prinzipielle Kritik an der von SPD, CDU/ANW, Grünen und Potsdamer Demokraten nach langen Verhandlungen erzielten Etateinigung kam auch aus der Opposition im Stadtparlament. Unter anderem kritisierte der Bürgerbündnis/ FDP-Fraktionschef Wolfhard Kirsch, die Notwendigkeit der höheren Steuern sei bisher nicht transparent dargestellt worden . „Die Rathauskoalition hat zwar ihren Zusammenhalt bewiesen – am Ende aber auf Kosten der Bürger dieser Stadt.“
Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sagte, in mehreren Punkten habe die Kooperation einfach Ideen der Linken übernommen – etwa für die Forderung, freien Kulturträgern die höheren Kosten durch die Einführung des Mindestlohns auszugleichen. Zu denken mache ihm, dass die Haushaltsdebatte in der Stadt nun zu großen Teilen nur noch innerhalb der Kooperation und damit außerhalb des Parlaments stattfinde, so Scharfenberg. Die-Andere-Fraktionschef Carsten Linke sagte, insbesondere die Erhöhung der Grundsteuer auf Immobilien lehne er wegen der angespannten Lage für Mieter ab – diese müssten mit steigenden Kosten rechnen.
Unter anderem hatte sich das Rathausbündnis geeinigt, die Grundsteuer erst 2017 zu erhöhen – und moderater als geplant. Zudem soll die Gewerbesteuer um 1,1 Prozentpunkte steigen. Mit den Einnahmen sollen unter anderem Investitionen in die Bildungs- und Verkehrsinfrastruktur der wachsenden Stadt gestemmt werden. Wie berichtet muss Potsdam zugleich mit deutlich weniger Zuschüssen des Bundes für Investitionen rechnen.
Vom kommunalen Hans Otto Theater (HOT) hatte die Kooperation in seiner Vereinbarung verlangt, dass es künftig 15 Prozent seines Etats selbst erwirtschaftet. Bisher sind es rund elf Prozent. HOT-Geschäftsführer Volkmar Rabback sagte, aus seiner Sicht seien die geforderten 15 Prozent unrealistisch. Zwar bemühe man sich Jahr für Jahr, diesen Wert zu steigern. Allerdings lägen die Eintrittspreise für das Theater im Vergleich zu anderen Kommunen bereits im oberen Drittel. Zudem müsse die Politik bedenken, dass allein die Kinder- und Jugendsparte des HOT rund 40 Prozent der Ausgaben ausmache – ohne dass in diesem Bereich wesentliche Einnahmen möglich seien. Rabback: „Das sollte man nicht vergessen.“
Dagegen bedeutet der Kompromiss für das Stadtteilnetzwerk Potsdam-West einen weiteren Schritt für ihr geplantes Nachbarschaftszentrum „Scholle 34“ – der Verein bekommt 50 000 Euro mehr pro Jahr. Wie Netzwerk-Chef Daniel Zeller den PNN am Mittwoch auf Anfrage sagte, gehe es nun um die langfristige Sicherung des Grundstücks sowie die Finanzierung. Eine seit Jahren leer stehende Pizzeria am Rande des Parks Sanssouci soll künftig als „Scholle 34“ genutzt werden, geplant sind Räume für Veranstaltungen, Familien und Künstler. Zur Umsetzung des Plans müsste nun zunächst ein langfristiger Nutzungsvertrag mit der Schlösserstiftung ausgehandelt werden, der das Areal erhöht. Die nötigen Umbauten für – schätzungsweise – unter zwei Millionen Euro könnten mit Krediten und Fördermitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) finanziert werden, sagte Zeller. Ebenso müsse man das bürgerschaftliche Engagement im Stadtteil nutzen, um viele Arbeiten in Eigenleistung zu bewerkstelligen. „Wir werden wohl einen langen Atem brauchen.“ HK
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