Von Bernd Kluge: Auf Quappenfang bei „nasskaltem Hundewetter“
Oderbruch zieht in dieser Jahreszeit Mekka Angler aus ganz Deutschland magisch an
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Frankfurt (Oder) - Wenn es Winter ist im Oderbruch, ist das Ufer des Grenzflusses Abenteuerspielplatz für gestandene Männer. In Scharen kommen sie aus ganz Deutschland, der Schweiz oder Dänemark, schlagen sich bei kühlen Temperaturen die Nächte um die Ohren, campieren am Lagerfeuer und spinnen jede Menge Anglerlatein. Dabei sind sie auf der Jagd nach ganz besonderen Fischen. Die wohlschmeckenden Quappen zu fangen, gilt unter Petrijüngern als wahre Angler-Kunst. Die auch Rutte genannten Tiere aus der Familie der Dorsche sind selten geworden. Während sie sich in den meisten deutschen Flüssen gänzlich rar machen, gilt die Oder inzwischen wieder als Gewässer mit den besten Chancen für Quappenangler. Die meiste Zeit des Jahres über in der östlichen Ostsee und im Oderhaff lebend, kommen die wegen ihres fleckigen Schuppenmusters auch „schwimmender Leopard“ genannten Raubfische während der Wintermonate zum Laichen in die Oder.
„Nur weil die Fische während ihrer Wanderung flussaufwärts äußerst gefräßig sind, hat der Angler überhaupt eine Chance“, erzählt Fischereiaufseher Joachim Engel aus Gorgast. Seinen Erfahrungen nach braucht der Quappen-Jäger Ausdauer, Kälteresistenz und einen ausgesprochenen Hang zur Nachtaktivität. Die Jagd nach Quappen sei wie ein Rausch, ähnlich müsse es einst den Goldsuchern in Amerika gegangen sein, fügt er hinzu.
Der 57-Jährige hat Quappen schon als Kind geangelt, kennt die besten Fangplätze und weiß, wie schwer die Tiere zu fangen sind. „Die Biester gelten als äußert vorsichtig. Sie lieben die starke Strömung, sind nachtaktiv und bevorzugen nasskaltes Hundewetter“, beschreibt er. Der Fisch müsse quasi ausgesessen werden, könne die Nerven des Anglers schon ziemlich strapazieren, bestätigt Erich Kral, einer der wenigen einheimischen Angler während der Quappenzeit. Blinder Eifer helfe da nicht.
Dennoch lohne sich die Jagd, versichert Kral. „Quappen kannst Du vielfältig verarbeiten - braten, kochen und räuchern“, schwärmt der Mann aus Genschmar, der sich auf einer Buhne mit Liegestuhl, Lagerfeuer und mehreren Angeln für die Nacht eingerichtet hat. Den Köder mit Tau- oder Rotwürmern, wahlweise auch mit sogenannten Fischfetzen wirft er erst in der Dämmerung aus. Zu warm dürfe es nicht werden, dann würden Quappen nicht beißen, erzählt Oderfischer Detlef Schneider, der häufig Touristen betreut, die sich erstmals auf Rutten-Jagd begeben wollen. Temperaturen um den Gefrierpunkt seien ideal.
„Je kälter es ist, um so besser fressen die Quappen“, sagt Schneider, verweist aber gleichzeitig darauf, dass die Oder dann um so tückischer werde. Sobald Frost einsetzt, bilden sich am Grund des Grenzflusses Eiskristalle, die sich mit Schwebstoffen verbinden, dabei immer größer werden und verstärkt Auftrieb bekommen. „Plötzlich ist die Oder voller runder Eisschollen, die durch die Strömung flussabwärts rasen. Dann ist es mit dem Angeln vorbei“, erzählt Angler Kral. Denn das Treibeis reiße die Angelschnur mit. In diesem Winter war das besonders im Januar der Fall.
Quappen ziehen laut Fischereiaufseher Engel an der Stromkante flussaufwärts und laichen an flachen Stellen oder Uferausspülungen in den Buhnenfeldern. Die Quappe sei eben eine ganz besondere Rarität, versucht Thiele zu erklären, warum er sich aufwendig ausgerüstet mit Gaskocher, Wasserkanister, Zelt, Angelhocker und wetterfester Thermo-Kleidung für das Angeln dieses Fisches soviel Zeit nimmt und in der Kälte ausharrt. „Es ist nicht der Fisch allein, sondern die Atmosphäre“, beschreibt er. Nachts gemeinsam am Feuer auszuharren, während der Winterwind um die Ohren pfeift, habe schon etwas von Abenteuer-Urlaub. „Wer einmal im Winter an der Oder geangelt hat, kommt wieder“, bestätigt Fischereiaufseher Engel, der bei seinen Kontrolltouren entlang der Oder zumeist auf ihm seit Jahren bekannte Angler trifft.
Bernd Kluge
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