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Landeshauptstadt: Auf Wacht im Welterbe

Ordnungskraft Marlies Schwarz lässt im Park Sanssouci Milde walten. Nur nicht bei dem, der auf der Hauptallee radelt

Stand:

„Ich renne niemanden hinterher“, versichert Marlies Schwarz. So weit lässt sie sich nicht herab. So hat Glück, wer ihr entwischt. Wie der Jogger, der jeden Tag um halb acht am Obelisk seine beiden Dobermänner freilässt, und dann quer durch den Park Sanssouci zum Hopfengarten hinüber joggt. „Ich will mir das mit den Hunden nicht antun“, bekennt die 47-Jährige.

Seit Januar dieses Jahres ist Marlies Schwarz eine von den drei Ordnungskräften, die in den Potsdamer Parks der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten für Verstöße gegen die Parkordnung Verwarn- und sogar Bußgelder verhängen darf. Fahrradfahren jenseits der asphaltierten und – das ist wichtig – auch mit einem grünen Strich versehenen Wegen, Liegen auf den Wiesen, Hunde frei herumlaufen lassen, das sind die häufigsten Vergehen, bei denen Marlies Schwarz einschreiten muss.

An diesem Mittwoch scheint der Park Sanssouci im windstillen Auge eine Orkans zu liegen; ringsherum schwarze Wolken, nur kurz von aufzuckenden Blitzen erhellt, stetes Donnergrummeln ringsum. Aus dem nahen Berlin werden später überflutete Keller gemeldet. Der Schirm von Marlies Schwarz aber bleibt geschlossen. Kein Tropfen fällt auf das Welterbe, das an diesem Vormittag dem Schutz der groß gewachsenen Frau anvertraut ist. Arbeitsplatz Park Sanssouci, ein schönerer lässt sich kaum denken. Sie ist sehr naturverbunden, etwa 20 Kilometer läuft sie pro Arbeitstag durch einen der Potsdamer Parks; an diesem ist sie die Spaziergängerin von Sanssouci. Sie macht die große Runde, vom Grünen Gitter bis zum Teehaus, von dort zur Hauptallee und dem Neuen Palais, dann zum Schloss Charlottenhof, die Römischen Bäder und zurück.

Am Teehaus steigt ein Touristenpärchen aus den Sätteln, nirgends Asphalt oder grüne Striche. Marlies Schwarz ist zur Stelle. „Im Hotel wurde gesagt, man darf hier fahren“, erklärt der Mann erstaunt. Die Ordnungskraft verweist auf die Parkordnung und belässt es bei einer Verwarnung. „Der Ton macht die Musik“, erklärt sie ihre Milde. Neulich wimmerte ein Student, der mit dem Fahrrad auf einem Fußweg fuhr, er mache es „garantiert nie wieder“. Gern will sie dies glauben. Auch wenn sie nicht ausschließt, dass er sie „auf die Schippe genommen hat“. Ihr Auftrag ist Aufklärung, weniger Sanktion. Zwischen dem 21. April und dem 10. August haben die drei Ordnungskräfte der Stiftung 12 000 mündliche Verwarnungen ausgesprochen und nur 224-mal zur Kasse gebeten.

Einzig bei der Hauptallee gibt Marlies Schwarz kein Pardon. Dort dürfen selbst Stiftungsmitarbeiter nicht in die Pedale treten. Marlies Schwarz ist konflikterprobt; zwölf Jahre lang arbeitete sie im Sozialamt Ketzin, dann kam die Hartz-Reform und sie „fiel durchs Sieb“ und wurde arbeitslos. Ihre Stelle bei der Stiftung fand sie im Internet. Sie mag ihre neue Arbeit, nur die Beschimpfungen mit Wörtern, die sie nicht wiedergeben möchte, die tun weh. Manchmal hört sie die Frage, ob sie sich nicht schämt, für das, was sie tut. Dann verneint sie entschieden; der Park sei zu schön, um seine Wege kaputt zu fahren. Sanssouci, das ist kein Stadtpark sondern Welterbe.

Das Neue Palais hinter sich preschen zwei Radfahrer in schneller Fahrt der großen Fontäne entgegen – und das auf der Hauptallee. Sie wollen den Park durchqueren, auf dem fast parallelen Ökonomieweg wäre es erlaubt gewesen. Knapp umkurven sie die Fußgänger, der erste von beiden fährt mit Licht. Marlies Schwarz stellt sich ihnen in den Weg. Der mit dem Licht will seitlich an ihr vorbei, die Parkwächterin macht einen Ausfallschritt und appelliert streng: „Junger Mann!“ Der kurze Satz weckt das Gewissen, der Angesprochene bremst scharf, ebenso sein Kompagnon.

Der „junge Mann“ ist etwa Mitte Dreißig, kantig gescheitelt, er trägt eine Anzughose, gute schwarze Schuhe, ein Hemd. „Wir sind zwei rechtstreue Bürger“, sind seine ersten Worte. Auf die Frage, ob er habe flüchten wollen, entgegnet er, noch nicht ganz der Situation entsprechend: „Ich bremse immer.“ Er muss sich fangen, die Kontrolle zurückerlangen, die er sonst zu haben gewöhnt scheint. Nein, das Schild, das am Eingang auf das Fahrradverbot hinweist, habe er nicht gesehen. Da habe nur „ein E-Klasse-Kombi, Vorgängermodell“ gestanden, an dem seien sie vorbei und dann rein in den Park. Außerdem könne man in jedem Park der Welt Fahrrad fahren. Auch in Köln, wo sie herkommen. Doch Marlies Schwarz lässt sich auf die Debatte nicht ein. Kurz erklärt sie das Fahrradverbot und spricht ein Verwarngeld von 20 Euro aus – pro Person.

Der gescheitelte Sprecher der beiden behauptet nun, er habe kein Geld dabei. So fordert Marlies Schwarz den Personalausweis, die Verwarnung werde dann eben zu ihm nach Hause geschickt. „Nehmen Sie die Daten und schicken Sie mir einen rechtsmittelfähigen Bescheid“, resigniert der Delinquent. Darauf angesprochen, bestätigt er, ja, er sei Jurist von Beruf. Das ihm das aber in diesem Fall nichts nützt, ärgert ihn. Und am meisten scheint ihn zu ärgern, dass er das nur zu gut weiß. Diesmal wäre der Rabauke in ihm besser weg gekommen als der Jurist. Einmal sagt er: „Wenn ich nicht gebremst hätte, wären wir aus dem Schneider.“

Indes regt sich sein Kollege und schlägt der Stiftung vor, neben der Hauptallee einen Fahrradweg bauen zu lassen. Er denkt an Fußgänger-Schutz, die Idee, dass er sich inmitten eines Denkmals befindet, hat er nicht. Als er von Marlies Schwarz daraufhin das Wort „Welterbe“ hört, sieht er sich um und sagt, das sei doch eher „sehr waldmäßig“ hier.

Dann schieben sie ab. Die Parkwächterin meint, auf dem Personalausweis einen Doktortitel gesehen zu haben. Der hat dem Scheitel-Typen aber nichts genützt. Lesen gefährdet zwar ernsthaft die Dummheit – aber es gibt ja auch Kettenraucher, die Hundert werden.

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