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Landeshauptstadt: Auf zu neuen Ufern

Griebnitzsee-Konflikt: Was der Zuschlag des Bundes für Potsdam bedeutet und wie es jetzt weitergeht

Stand:

Die Entscheidung ist gefallen: Potsdam kann die 51 Grundstücke des Bundes am Ufer des Griebnitzsees kaufen. 3,26 Millionen Euro zahlt die Stadt dafür, hinzu kommen maximal 626 000 Euro aus dem Weiterverkauf von Flächen, die Potsdam für den Uferweg nicht benötigt. Doch mit dem Zuschlag des Bundes ist der Uferweg auf dem Mauerstreifen längst nicht wieder frei.

WANN WIRD DER UFERWEG WIEDER DURCHGÄNGIG ÖFFENTLICH SEIN?

Eine verbindliche Antwort darauf gibt es derzeit nicht. Die Sperren am Seeufer werden durch den Erwerb der Bundes-Grundstücke nicht aufgehoben. Gesperrt ist der Weg auf Passagen, wo er über privates Eigentum führt. Rechtlich gibt es dagegen keine Handhabe: Der Uferweg ist rein juristisch gesehen derzeit gar nicht existent. Es gibt nach Gerichtsentscheidungen kein Betretungsrecht für die Öffentlichkeit und keinen gültigen Bebauungsplan. Damit können die Eigentümer von Wassergrundstücken frei entscheiden, ob sie den Weg zulassen, der Öffentlichkeit ein Wegerecht einräumen oder abriegeln.

WAS MUSS POTSDAM JETZT TUN, UM DEN UFERWEG DURCHZUSETZEN?

Als erstes muss die Stadtverwaltung einen gültigen Bebauungsplan vorlegen. Bereits das ist heikel: Der erste Plan für einen Uferweg, den Potsdam erarbeitet hatte, wurde vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im April 2009 kassiert. Anrainer hatten dagegen geklagt, das Gericht konstatierte eine Missachtung des Privateigentums und gab ihnen recht. Kürzlich hat die Verwaltung den Entwurf für einen neuen Ufer-Plan vorgelegt. Er soll vor der Sommerpause vom Stadtparlament beschlossen werden. Ist er rechtskräftig, kann die Stadt beginnen, den Uferweg umzusetzen. Dazu gehören Verhandlungen mit den Anrainern. Lehnen sie alle Kompromisse und Kaufangebote der Stadt ab, will Potsdam als letzte Konsequenz enteignen. Allerdings wird fest damit gerechnet, dass die Anrainer erneut gegen den Bebauungsplan klagen. Dann muss ein Gericht entscheiden, ob Potsdam korrekt geplant hat. Wäre dies erneut nicht der Fall, würde das wohl das Ende aller Uferweg-Pläne bedeuten.

WIE LANGE DAUERT EINE ENTEIGNUNG?

Dazu gibt es keine verlässlichen Angaben. Die Anrainer kündigen jahrelange Verfahren an. Enteignungen müssen bei der Enteignungsbehörde des Landes – dem Innenministerium – beantragt werden. Gesetzliche Grundlage ist Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetzes. Dort wird der Eingriff in das Grundrecht Eigentum unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Dazu zählt, dass nur „zum Wohle der Allgemeinheit“ enteignet werden darf und eine Entschädigung gezahlt werden muss. Über deren Höhe fertigen die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte, die es in allen Landkreisen gibt, ein Gutachten an. Gegen alle Entscheidungen können Betroffene klagen.

WAS KOSTET DER UFERWEG?

Die Verwaltung rechnet mit knapp 13 Millionen Euro: Vier Millionen soll der Bau des Weges kosten, 3,5 Millionen Euro der Kauf aller benötigten Flächen, 3,8 Millionen Euro sind für die Entschädigungen eingeplant. Dazu kommen Gerichtskosten und Rechtsanwaltshonorare in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Alles muss aus dem städtischen Haushalt bezahlt werden.

WARUM IST ES FÜR POTSDAM SO WICHTIG, DIE GRUNDSTÜCKE DES BUNDES ZU ERWERBEN?

Je mehr Grundstücke am Ufer der Stadt gehören, desto weniger Schwierigkeiten und Kosten gibt es bei der Uferweg-Planung. Bisher waren rund zehn Ufer-Grundstücke im Besitz Potsdams. Dagegen stehen rund 45 private Wassergrundstücke. Dem Bund gehören noch 51 Mauergrundstücke. Wenn diese jetzt städtisch werden, gehört Potsdam mehr als die Hälfte des Ufers. Grundsätzlich geht es nur um den Uferstreifen, nicht um die Villengrundstücke dahinter.

WARUM IST DER UFERWEG UMSTRITTEN?

Aus Sicht vieler Anrainer ist vor allem die Stadt Potsdam schuld daran, dass es nicht längst einen Uferweg gibt: Die Verantwortlichen hätten jahrelang überheblich agiert, nicht auf Augenhöhe verhandelt, Kompromisse ausgeschlagen. Statt Privateigentum zu respektieren, habe die Stadt den öffentlichen Weg als Selbstverständlichkeit begriffen. Fest steht, dass die Potsdamer Stadtspitze es nach dem Mauerfall versäumt hat, den Weg rechtmäßig zu sichern: Es wurde kein Bebauungsplan aufgestellt. Je länger die Auseinandersetzung dauerte, desto mehr verhärteten sich die Fronten.

WIE IST DER UFERWEG ENTSTANDEN?

Während der deutsch-deutschen Teilung verlief die Grenze zwischen DDR und West-Berlin durch den Griebnitzsee. Am Babelsberger Ufer stand die Mauer samt Grenzsicherungsanlagen. Mit dem Mauerfall 1989 wurde das Ufer frei, die Menschen nutzten den ehemaligen Kolonnenweg der DDR-Grenzer als Spazierweg. Vor dem Mauerbau war das Ufer nicht öffentlich, es existierte kein Weg. Zahlreiche Grundstücke wurden enteignet: Erstmals nach 1933, als das NS-Regime jüdischen Bürgern ihr Eigentum entzog. Nach 1945 enteigneten die sowjetischen Besatzer, zum Mauerbau 1961 die DDR-Regierung.

WAS UNTERNEHMEN DIE GEGNER DES UFERWEGS JETZT?

Wenige Tage vor der gestrigen Entscheidung hatte der renommierte Verwaltungsrechtler Reiner Geulen, der 28 Anrainer vertritt, angekündigt, dass seine Mandanten im Falle eines Verkaufs an Potsdam klagen werden. Sie hätten das „mit Abstand höchste Gebot“ für die Grundstücke abgegeben. Zudem kündigte Geulen in seinem Brief an die Mitglieder des Haushaltsausschusses an, Schadenersatzansprüche gegen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) geltend zu machen. In der gestrigen Haushaltsausschuss-Sitzung soll das Bundesfinanzministerium kurz auf das Geulen-Schreiben eingegangen sein: Das Ministerium habe als Rechts- und Fachaufsicht der Bima den Verkauf noch einmal geprüft und als korrekt bestätigt. Sabine Schicketanz

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