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Förderprogramm in Brandenburg: Aufgeblüht: Potsdamer mit Lernbehinderung findet Job
Zu Hause zieht Marcel Busse Tomaten und Kräuter. Auch in der Gärtnerei "Potsdamer Staudenkulturen" kümmert er sich mit Eifer um Blatt und Blüte. Trotz seiner Behinderung hat ihn Dirk Waskowsky eingestellt.
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Potsdam - Dirk Waskowsky hofft auf möglichst viele Nachahmer. In seinem Gärtnereibetrieb „Potsdamer Staudenkulturen“ beschäftigt der 52-Jährige insgesamt zehn Mitarbeiter, darunter seit Mitte Januar auch Marcel Busse. Seine unbefristete Stelle ist keine Selbstverständlichkeit, denn Busse ist schwer lernbehindert. Immer wieder hat der 26-jährige Zierpflanzenhelfer probiert, einen Arbeitsplatz zu finden – vergeblich. Dass es in der Golmer Gärtnerei endlich geklappt hat, liegt zum einen an einem neuen Förderprogramm des Landes Brandenburg und der Landesarbeitsagentur und zum anderen daran, dass Busses Chef aus eigener Erfahrung weiß, wie schwer es Behinderte nach wie vor auf dem Arbeitsmarkt haben. „Ich habe selbst einen behinderten Sohn. Da erwartet man, dass andere Arbeitgeber das auch machen“, sagt Waskowsky.
Dass er mit Marcel Busse die richtige Wahl getroffen hat, weiß der Gärtnerei-Chef allerdings schon länger. Während seiner Ausbildung zum Zierpflanzenhelfer beim TÜV Rheinland hat Busse zweimal drei Wochen lang in Waskowskys Gärtnerei ein Praktikum absolviert. Später arbeitete er zwei Jahre unentgeltlich im Rahmen einer geförderten Maßnahme im Betrieb an der Golmer Chaussee. Inzwischen gehört Busse längst zum Team und fühlt sich bei Waskowsky wohl: „Die Kollegen, der Chef, die Kunden, den ganzen Tag an der frischen Luft – das ist ein richtig toller Betrieb“, schwärmt er.
Berufliche Perspektive für Menschen mit Behinderung
Dafür, dass Dirk Waskowsky Busse unbefristet eingestellt hat, erhält er aus dem Landesprogramm „Inklusive Ausbildung und Arbeit“ 20.000 Euro. Insgesamt stehen für das Ziel, Menschen mit einer Behinderung eine berufliche Perspektive zu bieten, 6,5 Millionen Euro zur Verfügung. Wenigstens 200 Arbeitsplätze und 65 Lehrstellen sollen geschaffen werden. Doch weil das Programm landesweit so gut angenommen wird, sollen die Mittel aufgestockt werden. Angaben des brandenburgischen Arbeitsministeriums zufolge wurden bereits 150 Anträge auf einen geförderten Arbeitsplatz eingereicht und 55 davon bewilligt. Für Lehrstellen wurden bislang 22 Anträge als förderwürdig bewertet.
Das Geld aus dem Programm kommt von Unternehmen, die anders als Waskowsky sogar dazu verpflichtet sind, Arbeitsplätze für Menschen mit einer Behinderung anzubieten, es aber nicht wollen oder können. Grundsätzlich müssen Firmen mit 20 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten wenigstens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze schwerbehinderten Menschen zur Verfügung stellen. Kommen sie dem nicht nach, muss eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden. Und es sind viele Unternehmen, konkret 2345 von landesweit 4359, die sich freikaufen. Mehr als 12,7 Millionen Euro zahlten sie im vergangenen Jahr als Ausgleichsabgabe, Tendenz steigend. Dirk Waskowsky zufolge hat sich Marcel Busse längst bezahlt gemacht. „Am Anfang habe ich ihm gesagt, er soll den Frauen im Verkauf nur ein bisschen helfen und ihnen den Rücken freihalten. Heute fragen die anderen Kollegen gleich, wann Marcel wiederkommt, wenn er mal freihat. Er ist wirklich eine Entlastung“, sagt der Gärtnerei-Chef.
Was an Geschick fehlt, gleicht er durch Leidenschaft aus
Für seine Arbeit erhält Marcel Busse 8,50 Euro die Stunde – den seit Januar bundesweit geltenden gesetzlichen Mindestlohn. Dienstbeginn ist morgens um 8 Uhr. „Als Erstes fege ich ein bisschen und fülle dann die Lücken in der Auslage mit neuen Pflanzen“, berichtet Busse. Derzeit müsse er sich außerdem noch um die noch zierlichen Staudensetzlinge kümmern, die gerade aus dem Winterschlaf erwachen. Manchmal fahre Busse aber auch mit hinaus zu Kundengärten, sagt Waskowsky. Die Resonanz sei eigentlich durchweg positiv. „Unter Anleitung kann Marcel eigentlich fast alles machen. Nur für das Beschneiden von Pflanzen hat er noch nicht das richtige Feeling“, räumt der Gärtnereibetreiber ein.
Was Busse noch an Geschick fehlt, gleicht er durch Leidenschaft aus. Auch bei ihm zu Hause muss er regelmäßig gießen, düngen und umtopfen. „Ich sähe auch Tomaten und Kräuter aus“, erzählt er. „Früher hatte meine Mutti noch einen Garten in Groß Glienicke. Da habe ich auch immer geholfen.“ Inzwischen ist Busses Mutter mit seinen Brüdern nach Zittau gezogen. „Wegen des Berufs“, sagt der 26-Jährige. Er selbst zieht demnächst ebenfalls um: Aus einer Wohngemeinschaft in der Behlertstraße in seine erste eigene Wohnung.
Bevor sich Busse an diesem Tag um seine eigenen Pflanzen kümmern kann, muss er aber noch die jungen Nadelgehölze in der Gärtnerei versorgen. Mit den derzeit zwei Praktikanten des Betriebs soll er geschredderten Pflanzenabschnitt zwischen den Setzlingen verteilen – als Kälteschutz. „Das macht mir super Spaß. Da kann ich den Praktikanten auch mal was erklären“, freut sich Busse.
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