zum Hauptinhalt
Ein Supertalent, meinten die Fernseh-Zuschauer und wählten Michael Hirte aus Potsdam-Kartzow zum Sieger der Fernsehshow. Etwa sechs Millionen Menschen hörten, wie Hirte das Ave Maria und Stille Nacht auf der Mundharmonika blies.

© Jörg Carstensen/dpa

Von Kay Grimmer: Aus der Brandenburger zum Sieg

Michael Hirte gewinnt mit „Ave Maria“ und seiner Lebensgeschichte die Show „Das Supertalent“

Stand:

Es ist ein Weihnachtsmärchen: Michael Hirte, Potsdams Straßenmusikant mit der Mundharmonika ist das Supertalent 2008! Der arbeitslose, durch einen Arbeitsunfall körperlich beeinträchtigte 44-Jährige aus dem Potsdamer Ortsteil Kartzow ist damit um 100 000 Euro reicher, dank der Siegprämie bei der RTL-Show.

Um 0:23 Uhr öffnete Moderator Marco Schreyl – der erneut sein Unvermögen bewies, große Shows mit Emotionen zu füllen – den Umschlag mit dem Ted-Ergebnis. „Wahnsinn, unwahrscheinlich“, rang Hirte in den Minuten nach dem Sieg um Worte, wischte sich schnell über die feucht gewordenen Augen. Das Basecap – Markenzeichen des Potsdamers – rutschte in den Nacken, mit ungläubigem Ausdruck ließ er sich von den anderen neun Finalkandidaten feiern. „Wenn mich Kelvin Kalvus, der Glaskugel-Jongleur, nicht aufgefangen hätte, wäre ich wohl umgekippt“, gab Hirte gegenüber den Potsdamer Neuesten Nachrichten zu.

Ausgelassene Freude auch am Jury-Panel. Dieter Bohlen hatte sich schon im Vorfeld festgelegt: „Micha, wenn du das hier nicht schaffst, fress“ ich meine Jacke“, erklärte der Pop-Titan nach Hirtes Final-Auftritt. Zuvor begeisterte der Mundharmonika- Spieler die Zuschauer im Kölner Coloneum, die Jury und über sechs Millionen Fernsehzuschauer mit seinem „Ave Maria“.

Dem Potsdamer war die Aufregung beim Auftritt anzusehen, er zitterte bei den ersten Takten wie Espenlaub. Doch selbst die schiefen Töne, die er seiner Hohner-Mundharmonika entlockte, schadeten dem zu Herzen gehenden Auftritt nicht. Das Publikum stand auf und rief um Zugabe. Und auch die Jury spendete stehende Ovationen – allen voran Bohlen. Der war nicht nur vom berührenden Mundharmonika-Spiel begeistert, auch seine Lebensgeschichte schien dem Multimillionär zu bewegen. „Du gibst so viel und hast so wenig“, bewunderte Bohlen schon zum Halbfinale den Potsdamer.

Der Berufskraftfahrer lag vor Jahren nach einem Arbeitsunfall zwei Monate im Koma. Auf einem Auge fast blind und ein kaputtes Bein bedeuteten Arbeitsunfähigkeit für ihn. Hirte wurde Hartz-IV-Empfänger. Seine Frau verließ ihn. „Irgendwann habe ich mir meine Mundharmonika geschnappt und begonnen, für mich zu spielen“, erzählte der Potsdamer. Das Instrument und die Musik hätten ihn davor bewahrt, „dahinzusiechen“, sagt er heute. Als Straßenmusiker auf der Brandenburger Straße, erspielt er sich zusätzliche Euros, bald kennt man den Mann mit der Kappe und der Mundharmonika. „Es ist schön, direkt zu sehen, wie die Menschen wegen meiner Musik lächeln und stehenbleiben“, sagte er. Deshalb will Hirte auch nicht gänzlich auf die Straßenmusik verzichten. „Ich möchte sehr gern noch mal auf der Brandenburger spielen.“ Denn: solch eine Show sei auch Stress, „da sehne ich mich manchmal nach der Ruhe auf der Straße zurück“, gestand er.

Stress kam auch von anderer Seite: Seine Ex-Frau meldete sich über eine Boulevardzeitung zu Wort und beschuldigte ihn, ein Trinker und Schläger zu sein. Die Anzeige gegen Hirte wurde schnell wegen Geringfügigkeit eingestellt. Auch er will die Sache vergessen: „Das ist vorbei“, sein knapper Kommentar. Lieber wolle er Fans und Freunden danken, die für ihn angerufen hatten. „Vor allem die Unterstützung aus meiner Heimat Potsdam hat mich wirklich gefreut.“

Der Potsdamer ist nun erstmal in Lübbenau, seinem Geburtsort. Dort will Hirte, der künftig wohl ohne staatliche Unterstützung auskommen muss, im Kreise der Familie zunächst das Erlebte realisieren. Das gewonnene Geld soll, wenn überhaupt, in die eigene Musik investiert werden. Einzig die Schwester bekommt auch etwas von der Prämie. „Ich habe ihr das alte Auto abgekauft und habe bislang den Preis in kleinen Raten abgestottert. Jetzt bekommt sie den Rest komplett und ich habe endlich mein eigenes Auto.“ Damit geht es dann womöglich auch nach Wiesbaden, ins Rhein-Main-Theater. Dort wird Michael Hirte sein erstes großes Konzert als Supertalent am 21. Dezember geben.“ Es ist ja der vierte Advent, da wird es sicherlich viel Weihnachtliches geben“, kündigte er an. Eventuell steht dann auch schon eine CD des Mannes mit der Mundharmonika in den Läden: „Eine eigene Weihnachtsplatte, das wäre mein Wunsch zum Fest.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })