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Landeshauptstadt: Aus der Reserve gelockt

Am 18. April wird die neue Dauerausstellung in der Leistikowstraße eröffnet – hinter den Kulissen wurde heftig darum gerungen

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Im Februar hatte Bob Bahra genug. Der 70-Jährige, seit Jahren im Gedenkstättenverein für das Ex-KGB-Gefängnis Leistikowstraße aktiv, konnte sich nur noch mit einer Satire helfen. Jahrelang hatte der Verein mit der Spitze der Gedenkstättenleitung erbittert gestritten, wie das frühere KGB-Gefängnis als Gedenkstätte zu gestalten sei. „Ich wollte sie aus der Reserve locken“, sagte Bahra. Er schrieb und verschickte eine Einladung zur „Wiedereröffnung des ehemaligen Reisebüros in dem ehemals idyllischen KGB-Städtchen“, wo „Jugendliche bei Spiel und Tanz“ für die Ferien in „sowjetischen Luftkurorten wie Workuta“ fit gemacht wurden. Er meinte jene Jugendliche, die bis 1953 in dem Gefängnis gefoltert und verhört wurden, und von dort in die Gulags der Sowjetunion verschleppt wurden. Und er schrieb den bitterbösen Brief mit Blick auf die Eröffnung der Gedenkstätte am 18. April. Sein Ziel hat Bahra erreicht, jedenfalls bei der Leitung der Gedenkstätte, als auch bei der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, die die Stiftung Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße treuhänderisch verwaltet.

Auch bei Horst Seferenz, dem Sprecher der Gedenkstättenstiftung, kam Bahras satirisches Pamphlet an. In einer internen Email schrieb er, „die Zersetzungs-Kampagne rollt offenbar an“. Die Leiterin der Gedenkstätte Leistikowstraße, Ines Reich, leitete Bahras Papier ebenfalls weiter, bezeichnete es als „Angriff“ auf die Einrichtung und mutmaßte: „Dem Autor sind offensichtlich interne Konzeptpapiere bekannt.“ Horst Seferenz will seine Email, die in Potsdam weite Kreise zog, nicht weiter kommentieren. Zum Dauerkonflikt mit dem Gedenkstättenverein und den Zeitzeugen aber sagt er, der Verein sei stets über den Beirat der Gedenkstätte einbezogen worden, wo die Ausstellungstexte eingehend diskutiert worden seien. „Wir waren immer an einer Kooperation interessiert und haben unsere Hand immer ausgestreckt.“

Dennoch hat es im Vorfeld hinter den Kulissen heftige Auseinandersetzungen um das Konzept zu Ausstellung gegeben, deren Eröffnung mehrfach verschoben wurde. In mehreren Stellungnahmen, die den PNN vorliegen, kritisierten hochkarätige Fachleute und Mitglieder des Gedenkstättenbeirats die Macher der neuen Dauerausstellung. Darunter sind die Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Anna Kaminsky, die Vize-Direktorin der Gedenkstätte Berliner Mauer, Maria Nooke, mehrere frühere in dem KGB-Gefängnis inhaftierte Zeitzeugen, aber auch Jörg Baberowski, Professor für die Geschichte Osteuropas an der Humboldt-Universität Berlin. Sogar Herta Müller, die Literaturnobelpreisträgerin von 2009, intervenierte mit einem Schreiben bei Brandenburgs Kulturministerin Sabine Kunst (parteilos) gegen das Vorgehen der Gedenkstättenleitung.

Ihre Kritik lässt sich auf einen Nenner bringen: Die Opfer würden zu wenig und auf den Ausstellungstafeln nicht angemessen dargestellt, Widerstand und Opposition würden zu wenig bedacht, der Arbeit des KGB dagegen werde zu viel Aufmerksamkeit geschenkt. „Einzelne Spionagefälle werden aufgebläht, an die Schicksale unschuldig Inhaftierter wird nur bruchstückhaft erinnert. Das Leid und die oft barbarischen Strafen bilden nicht den Schwerpunkt der Ausstellung“, sagt Gedenkstätten-Vereinschef Richard Buchner. Für ihn ist die Leistikowstraße jetzt weniger Gedenk- und Begegnungsstätte, sondern mehr Spionage-Museum. Zur Eröffnung am 18. April plantder Verein daher eine eigene Veranstaltung.

Tatsächlich musste die Leiterin Ines Reich auch auf Druck von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) Teile der Ausstellungstexte überarbeiten. Zufrieden ist der Beirat nicht. Anna Kaminsky von der Aufarbeitungsstiftung sagt es diplomatisch: Sei sei froh, dass nach 20 Jahren die Gedenkstätte endlich öffne, für die sich ehemalige Häftlinge jahrelang engagiert hätten. „Ich hätte mir aber mehr Miteinander mit den Opferverbänden und dem Verein gewünscht, die die Grundlage für die Gedenkstätte gelegt haben.“ axf

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