Landeshauptstadt: Aus fünf werden acht
Die Andere, Bürgerbündnis und Potsdamer Demokraten bekommen nach Gerichtsurteil Fraktionsstatus – im Rathaus freut man sich darüber nicht
Stand:
Ab sofort hat Potsdams Stadtverordnetenversammlung drei Fraktionen mehr und damit insgesamt acht: Die bisherigen Gruppen Die Andere, Bürgerbündnis und Potsdamer Demokraten erhalten nun den gleichen Status wie Linke, SPD, CDU/ANW, FDP und Bündnisgrüne.
Das ist die Konsequenz aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes. Die Kammer hatte am gestrigen Freitag der Beschwerde der Landeshauptstadt stattgegeben und den Passus in der Kommunalverfassung für nichtig erklärt, wonach eine Fraktion aus mindestens vier Mitgliedern bestehen muss. Ab sofort gilt damit die alte Regelung, wonach eine Fraktion bereits aus zwei Parlamentariern gebildet werden kann. Es liegt allerdings in der Entscheidungsgewalt der Stadtverordnetenversammlung, auch eine höhere Mindestfraktionsstärke festzulegen.
Den drei neuen stehen damit die gleichen Rechte zu wie den anderen Fraktionen – sie haben Abstimmungsrecht in den jetzt neu zu besetzenden Fachausschüssen und bekommen mehr Geld, denn Fraktionen erhalten einen monatlichen Sockelbetrag aus dem Fonds des Stadtparlaments.
Das Potsdamer Rathaus war von den Stadtverordneten Ende 2008 zu der Klage gezwungen worden. Die Andere hatte den Antrag gestellt, weil sie sich durch die Regelung in der Kommunalverfassung benachteiligt sah. Stadtkämmerer Burkhard Exner (SPD), zugleich Rechtsbeigeordneter, hatte seinerzeit davor gewarnt, vor Gericht zu ziehen, einer Klage kaum Erfolgschancen eingeräumt und sogar von „Geldverschwendung“ gesprochen. Da das Gericht der Stadt Recht gegeben hat, bekommt sie vom Land die Auslagen in Höhe von 8000 Euro erstattet.
„Juristisch ist immer das Gegenteil von dem richtig, was Herr Exner sagt“, kommentierte der Bürgerbündnis-Stadtverordnete Wolfhard Kirsch gestern nicht ohne Häme. Das Urteil sei ein „Sieg der Demokratie“, so Kirsch. Lutz Boede von Die Andere freute sich über die „Beendigung eines zwei Jahre währenden verfassungswidrigen Zustands“, Peter Schultheiß von den Potsdamer Demokraten begrüßte das Urteil ebenfalls – 2008 hatte er allerdings gegen eine Klage gestimmt. Damals war Schultheiß noch Mitglied der CDU.
Von einem Erfolg sprach auch der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Peter Schüler (Bündnisgrüne). Endlich sei die „unsinnige“ Regelung zur Mindesfraktionsstärke gekippt worden. In die nächste Sitzung des Stadtparlaments werde er einen Antrag zur Neubesetzung der Fachausschüsse einbringen, kündigte Schüler gegenüber den PNN an. Im Hauptausschuss etwa, der als beschließendes Gremium der wichtigste Ausschuss ist, müssten alle Fraktionen vertreten sein. Geklärt werden müsse, ob die Ausschüsse aufgestockt werden oder die Anzahl der Sitze lediglich nach einem neuen Schlüssel berechnet wird. Die großen Fraktionen wie SPD oder Linke würden wohl darauf pochen, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament auch in den Ausschüssen widerspiegeln, so Schüler. Boede und Kirsch kündigten an, rückwirkend die den Fraktionen zustehenden Sockelzuwendungen einzufordern – laut Boede handelt es sich um fünfstellige Summen. Das Geld stehe ihnen zu, erklärte Schüler. Womöglich könne man sich auf Ratenzahlungen einigen.
Der offizielle Gewinner des Gerichtsstreits, die Stadtverwaltung, vermochte sich gestern jedoch nicht zu freuen. „Wir sehen das Urteil durchaus kritisch“, sagte Rathaussprecher Stefan Schulz. „Wenn der Hauptausschuss jetzt 20 Mitglieder hat, werden Entscheidungsprozesse noch länger dauern“, prophezeite er. Die oft langen Tagesordnungen seien dann kaum mehr abzuarbeiten, so Schulz.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: