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Von Jana Haase: Aus Respekt vor der Schöpfung

Die FH Potsdam beteiligt sich an einem Modellprojekt zum nachhaltigen Bauen und entwickelt ein Erdwärmespeicher-System für einen Kirchenneubau. Es könnte der Grundstein für einen neuen Studiengang zur Nachhaltigkeitsplanung werden.

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Man muss kein Christ sein, um die besondere Atmosphäre in Kirchen zu erleben. Auch jeder Tourist kennt das Gefühl beim Betreten eines der ehrwürdigen jahrhundertealten Gotteshäuser: das gedämpfte Licht und der gewaltige Raum gebieten Ruhe und lenken den Blick unweigerlich nach oben. Die Temperaturen von draußen scheinen hier nicht mehr zu gelten. Kann man beim Kirchenbesuch an einem sonnigen Frühlingstag noch ins Frösteln geraten, ist die kühle Luft im Hochsommer willkommene Erholung. Im Winter schützen die mächtigen Mauern vor dem Frost.

Bei modernen Kirchen sieht das jedoch ganz anders aus. „Man kann heute nicht mehr so massiv bauen wie früher“, sagt Rüdiger Lorenz, Professor für Bauphysik und Bauklimatik an der Fachhochschule Potsdam (FH). Unter seiner Federführung beteiligt sich die FH jetzt an einem Projekt, bei dem es darum geht, die außergewöhnliche Temperatur-Speicherfähigkeit und das spezielle Raumklima auch bei einem Kirchen-Neubau mit viel dünneren Wänden zu erreichen und gleichzeitig energieeffizient zu bauen. Das Projekt könne Grundstein für einen zukünftigen FH-Studiengang zum nachhaltigen Bauen werden, hofft Lorenz zudem.

Die Nachhaltigkeit liegt bei Kirchenbauten gewissermaßen in der Natur der Sache. Das hat neben dem religiös motivierten Wunsch nach gebotenem Umgang mit der Schöpfung auch ganz weltliche Gründe. „Im Gegensatz zu Wohn- oder Bürobauten sollen Kirchen über Jahrhunderte halten“, sagt der Bauphysiker. Das ausgeglichene Klima im Inneren sei nicht nur kennzeichnend für den Ort Kirche, sondern auch wichtig etwa für die Funktionstüchtigkeit der Orgel.

Gebaut wird jedoch nicht in Potsdam, sondern in Leipzig. Bis 2013 will die katholische Propsteipfarrei St. Trinitatis dort anstelle eines maroden Zweckbaus aus den 1970er Jahren ein neues Domizil errichten. Für den Siegerentwurf des Leipziger Architektenbüros Schulz & Schulz entwickelte Lorenz ein Nachhaltigkeitskonzept, das unter anderem ein neuartiges Erdwärmespeicher-System vorsieht.

Dabei soll nicht die Erdwärme aus Hunderte Meter tiefen Schichten genutzt werden, wie derzeit – Stichwort Geothermie – zunehmend beliebt, betont Lorenz. „Ich möchte nicht in ein ökologisches System eingreifen, was ich nicht beherrschen kann.“ Seine Planungen sehen stattdessen ein Rohrleitungssystem nur fünf Meter unter der Kellersohle der Kirche vor. So tief müsse der Boden für die Baugrundarbeiten ohnehin aufgerissen werden.

Das wassergefüllte Rohrsystem, eine Art unterirdische Fußbodenheizung, werde zusätzlich mit einer durch Sonnenkollektoren auf dem Dach betriebenen Wärmepumpe gekoppelt. „So können wir im Sommer Wärme nach unten ableiten und im Winter Wärme hochholen“, erklärt Lorenz: „Im Prinzip haben wir damit die große Speichermasse historischer Kirchen ein- und ausschaltbar gemacht.“

Eine „Null-Energie-Kirche“ sei das Gebäude trotzdem nicht. Das liegt etwa an den Gemeinderäumen, die wärmer beheizt werden müssen als der Kirchenraum mit einer Solltemperatur zwischen 12 und 16 Grad Celsius. „Unser Ziel ist es, die Umwelteinwirkungen minimal zu halten“, erklärt Rüdiger Lorenz. Zudem sei das System so robust, dass es auch über längere Zeiten und „bei unsicherer Energieversorgung“ funktionieren kann.

Ein solches System zum Temperaturausgleich sei bislang neu. Zur Umsetzung der Pläne hat Lorenz auch Kooperationspartner von der Technischen Universität Dresden gewinnen können. Die wissenschaftliche Begleitung wird von der Bundesumweltstiftung über drei Jahre mit insgesamt 250 000 Euro gefördert. Von dem Geld sollen wissenschaftliche Mitarbeiter an der FH finanziert werden. Denkbar seien auch Diplomarbeiten zu Einzelaspekten der Nachhaltigkeit und zum gesamten Planungsprozess, so Lorenz.

Denn obwohl Nachhaltigkeit für Gebäude immer öfter gewünscht werde, komme das Thema während der konkreten Planung oft noch zu kurz. „Es geht darum, wie man den Nachhaltigkeitsaspekt generell in die Bauplanung integrieren kann.“ So wie heute Statiker oder Projektleiter die Arbeit der Architekten unterstützen, könnte es in Zukunft „Nachhaltigkeitsplaner“ geben, sagt Lorenz und zeichnet damit ein neues Berufsbild für Fachhochschulabsolventen. Das Projekt in Leipzig könnte zum Grundstein für einen neuen FH-Studiengang zum nachhaltigen Bauen werden, hofft er.

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