Von Richard Rabensaat: Aus Spiel wird ernst
Der Informatiker Tobias Scheffer entwickelt Anwendungen gegen Betrug im Internet / Antrittsvorlesung an der Universität Potsdam
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Der Titel der Vorlesung klingt etwas gruselig: „Spielen mit Viren und Zombies“. Tobias Scheffer hielt Ende der vergangenen Woche seine Antrittsvorlesung am Institut für Informatik an der Universität Potsdam. Sein Fachgebiet ist das maschinelle Lernen. Scheffer betonte zu seinem Einstand, dass die Informatik eine anwendungsbezogene Wissenschaft ist, es gehe um die Lösung von konkreten Problemen. Und die „Zombies und Viren“ von denen er sprach haben das Internet ins Visier genommen.
Der Informatiker Scheffer wird an der Universität seine Forschung fortsetzen, für die er bereits den Google Research Award erhalten hat. Auch seine Kooperation mit der Strato AG bringt er mit an die Uni. Der 39-jährige Professor hatte die Auswahl zwischen mehreren Professuren, entschied sich aber für die in Potsdam: „Hier waren die Konditionen und das Umfeld einfach am besten“. Tobias Scheffer beschäftigt sich mit den Schwachstellen des Internets. Sie sind das Ziel von „Zombies und Viren“, mit denen sich Kriminelle Zugriff auf gesicherte Personendaten oder geschützte Accounts verschaffen.
Ein bei Betrügern beliebtes Betätigungsfeld ist auch der Aktienhandel. Die vorgetäuschte günstige Entwicklung einer Aktie wird in einer Spam-Mail versandt und soll dazu verleiten, eben diese Aktie zu kaufen. Dabei handelt es sich zumeist um sehr preiswerte Aktien, deren Kurs, infolge der gefälschten Prognose steigt. Hiervon profitiert der Betrüger, der sich die Aktien zuvor verschafft hat, nicht aber der unbedarfte Käufer. Denn der kauft die Aktie in der Regel zu spät.
„Es hört sich unwahrscheinlich an, aber tatsächlich kaufen viele Menschen aufgrund solcher massenhaften Spam Mails Aktien“, erklärte Scheffer. Deshalb entwickelt er Strategien, um diesen betrug zu verhindern. Der Provider in dessen Auftrag Scheffer seine Programme und Algorithmen erstellt, betreibt Webseiten von 1,3 Millionen Kunden und verarbeitet in zwei Rechenzentren bis zu einer Milliarde E-Mails. Der Spam Anteil daran ist erheblich und stellt für den Provider ein deutliches Problem dar. „Gegenwärtig ist der Aktien-Spam allerdings zurückgegangen. Die Leute haben aufgrund der Krise wohl weniger Lust, Geld im Aktienhandel zu verlieren“, vermutet Scheffer.
Um die potenziellen Opfer zu erreichen, instrumentalisieren Betrüger fremde Rechner, machen sie ohne Wissen des Nutzers zu „Zombies“, um die gewünschten Daten zu erhalten oder zu verschicken. Eine bei Kriminellen beliebte Variante ist der 419-Scam. Die Ziffer weist auf den entsprechenden Paragrafen des nigerianischen Gesetzbuches hin. In dem afrikanischen Land hat sich ein stabiles Netzwerk auf genau diese verbrecherische Geschäftsvariante spezialisiert. In einer entsprechenden Mail versichert der Versender, auf den Empfänger warte in Nigeria ein millionenschwerer Geldbetrag. Zuerst müsse aber eine Gebühr in Höhe von einigen Hunderttausend Euro überwiesen werden. Die sind mit der Überweisung dann futsch, die Millionen kommen nie an.
Waren entsprechend lockende Mails früher unschwer an schlechtem English oder radebrechendem Deutsch zu erkennen, so haben sich mittlerweile Form und Zielrichtung des Betrugs verändert. Darauf reagiert Scheffer mit seiner Arbeitsgruppe. Mit einem spieltheoretischen Ansatz entwickelt er Algorithmen, die sich bei ihrer Anwendung verändern und verbessern. Das Programm analysiert dabei nicht die sensiblen Daten selber. Vielmehr macht es die Veränderung zwischen zwei Zuständen der Daten zur Grundlage seiner Berechnungen. „Wir berücksichtigen den Einfluss des Gegners“, bemerkt Scheffer.
Diese Technik sei übrigens auch in der Medizin erfolgreich, hier könne das Rechenprogramm ebenfalls angewendet werden. Denn auch HI-Viren reagieren ausgesprochen flexibel auf Medikamente und passen sich mit Resistenzen rasch an eine veränderte Umgebung im Körper an. Auch diese Mutationen lassen sich in gewissem Umfang aus zwei beobachteten Krankheitszuständen herauslesen. Ein interessantes spieltheoretisches Problem sei auch die Zahl der Informatikstudenten. Denn die verändere sich ebenfalls ständig, gegenwärtig gebe es gerade einen Boom. Ein Programm um die nötige Anzahl der Plätze für die Zukunft vorauszusagen, hat Tobias Scheffer allerdings noch nicht entwickelt.
Richard Rabensaat
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