Landeshauptstadt: Aus Wiens literarischer Traumfabrik
Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“, gelesen von Sebastian Koch, mit Musik zwischen Tag und Traum
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„Den heißesten Film des Sommers“ kündigte die Presse 1999 an, kurz bevor endlich das Geheimnis um Stanley Kubricks Streifen „Eyes Wide Shut“ gelüftet werden sollte. Der geniale amerikanische Regisseur sollte den Kinostart und den Medienhype um seinen letzten vollendeten Film, an dem eineinhalb Jahre gedreht worden war, nicht mehr erleben: er starb am 7. März 1999 im Schlaf an einem Herzinfarkt. Die postume Kubrickforschung fand in dem ebenso bildgewaltigen wie rätselhaften Oeuvre des bekennenden Perfektionisten (zu seinen bekanntesten Filmen gehören „Spartacus“, „A Clockwork Orange“, „2001: Odyssee im Weltraum“ und „Shining“) ein dankbares Betätigungsfeld. Zu den instruktivsten Beiträgen, die nach dem Ableben Kubricks veröffentlicht wurden, gehört der Bericht „Eyes Wide Open“ von Frederic Raphael, der das Skript zu „Eyes Wide Shut“ schrieb. Er erzählt darin von seinen frustrierenden Bemühungen, Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ aus dem Wien der 1920er Jahre in das New York der 90er Jahre zu übertragen. Raphaels Versuche, zumindest einige Handlungsstränge der literarischen Vorlage durch eigene Ideen aufzufrischen, wurden stets im Keim erstickt. Kubricks Anweisung lautete: „Bleiben wir doch einfach bei Arthur.“ Das meinte nichts anderes als strikte Werktreue. Kubrick, so berichtet sein Drehbuchschreiber, wollte nichts anderes als „ein Ausmalbuch, in das Stanley seine eigenen Farbtöne eintragen konnte“.
„Eyes Wide Shut“ wurde ein großer Kinoerfolg – dies verdankte er u.a. der Besetzung der Hauptrollen mit dem Star-Ehepaar Tom Cruise und Nicole Kidman, aber auch einer höchst aufwändigen Ausstattung und nicht zuletzt der berühmten nächtlichen Orgienszene, in die Tom Cruise alias Dr. William Harford unversehens wie in einen Traum hineingerät. Zwar war sich die Kritik über die Frage uneins, ob diese Literaturverfilmung nun wirklich geglückt war. Ein unstrittiges Verdienst hatte der Film jedoch ganz sicher: er leitete die Neubeschäftigung mit Arthur Schnitzler ein und rückte seine bis dato wenig bekannte „Traumnovelle“ in den Fokus der Aufmerksamkeit. Der Wiener Arzt und Autor schrieb diese Erzählung 1926 nieder, die ihn über viele Jahre beschäftigt hatte. In ihr wird die scheinbar harmonische Ehe zwischen dem Arzt Fridolin und seiner Frau Albertine beschrieben. Beide stürzen sich unabhängig voneinander in verwirrende Liebesabenteuer – real und in Träumen.
„Ich verstehe Sigmund Freud, dass er in diesem Schriftsteller einen Gefährten, ja vielleicht sogar einen Konkurrenten erkannte: einen Dichter, der intuitiv, in Bildern die Erkenntnisse erfasste, die Sigmund Freud in einer viel größeren Anstrengung wissenschaftlich zu greifen versuchte“, beschreibt Sebastian Koch seine Schnitzler-Faszination. Bereits vor 20 Jahren, als der bekannte Schauspieler am Darmstädter Theater erstmals mit Schnitzler in Berührung kam, war er von der Modernität des Dramatikers beeindruckt. „Ich staune darüber, wie klug und lebensnah dieses Werk ist, darüber, wie viel Arthur Schnitzler über mich (obwohl das gar nicht sein kann) wusste.“ Im Nikolaisaal wird Sebastian Koch (bekannt aus Kino- und Fernsehfilmen wie „Die Manns“, „Stauffenberg“ und „Das Leben der Anderen“) die „Traumnovelle“ in einer eigens eingerichteten gekürzten Fassung lesen – und damit sicher die Schar der Schnitzler-Verehrer beträchtlich erweitern. Musikalisch ergänzt wird die Lesung durch traumhaft schöne Orchestermusik von Hector Berlioz, Richard Wagner, Edvard Grieg u.a. Es spielt das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt unter Leitung von Jürgen Bruns.Astrid Weidauer
9. Februar, 20 Uhr, Großer Saal: Stars international
Astrid Weidauer
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