Landeshauptstadt: Ausgetrickst
Die Stadtverwaltung hat sich ein Stadtkanal-Grundstück gesichert, auf dem ein Investor bauen wollte
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Innenstadt – Die Stadtverwaltung hat ein Hindernis zur Wiederherstellung des einstigen Stadtkanals aus dem Weg geräumt. Ein Team aus Rathausmitarbeitern ist erfolgreich einem Potsdamer Investor in den Arm gefallen, der wie berichtet ein Wohngebäude auf dem Gebiet des einstigen Stadtkanals errichten wollte und dazu bereits vom Land ein Grundstück in der südlichen Dortustraße erworben hatte. Den komplexen Vorgang erklärte der zuständige Potsdamer Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD) am Donnerstag vor Journalisten für beendet und das Problem für gelöst: „Die Kanalfrage ist wieder offen – nun kann uns erfreulicherweise niemand mehr dazwischenfunken.“
Der Vorgang geht zurück bis ins Jahr 1990. Seit der Wiedervereinigung ist die Zuordnung ehemals volkseigenen Vermögens gesetzlich geregelt – dazu gehören auch Straßen wie die Dortustraße. Im Zuge des Bau des benachbarten Ministeriumskomplexes in der Henning-von- Tresckow-Straße sind Exner zufolge Teile der südlichen Dortustraße dem Land zugeschlagen worden – bis auf einen 700 Quadratmeter großen Zipfel Fahrbahn, der damals offenbar übersehen wurde. Diese und eine daneben liegende Brachfläche hatte im ersten Quartal dieses Jahres ein Potsdamer Schönheitschirurg ausgerechnet vom Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) nach einem Höchstgebotsverfahren erworben – sehr zum Ärger der Stadt. So hatte Baudezernent Matthias Klipp (Grüne) dem Investor eine „erpresserische Absicht“ unterstellt. Er wollte am Bahnhof Rehbrücke einen Toom-Baumarkt, dessen Eigentümer er ist, vergrößern und hatte die Stadt dazu aufgefordert, schnell eine Brücke über die Gleise in unmittelbarer Nähe zu bauen. Als Hebel bei den Verhandlungen sollte offensichtlich der Kauf des einstigen Kanal- Grundstücks dienen – samt der Drohung, dort ein Wohnhaus zu errichten. Die Wiederherstellung des Stadtkanals, der auch über eben jenes Grundstück floss, wäre damit unmöglich geworden.
Doch diese Gefahr ist nun vom Tisch. Denn jetzt gehört der Stadt der größte Teil der von dem Investor gekauften Fläche – und zwar ohne einen Cent zu bezahlen. So habe die Stadtverwaltung bereits im vergangenen September – als das Land seine Verkaufsabsichten erstmals angekündigt hatte – bemerkt, dass der Dortustraßen-Zipfel der Stadt anders als andere Straßen nicht gehörte, sagte Exner. Daraufhin stellte die Stadt beim Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) einen Antrag, ihr den Zipfel zuzuschlagen. Genau dies ist jetzt geschehen – offensichtlich auch nach einigen Bitten aus Potsdam, das Verfahren zu beschleunigen, wie Exner durchblicken ließ: „Seit Dienstag stehen wir nun als Eigentümer im Grundbuch.“
Auch ein Sprecher des Landesfinanzministeriums bestätigte den PNN, dass die Bundesbehörde das Grundstück an die Stadt übertragen hat. Damit könne der Kaufvertrag für diese Fläche nicht mehr vollzogen werden. Für weitere 475 Quadratmeter daneben – dort befinden sich eine Gasleitung und eine Garage – bleibe der Kaufvertrag aber rechtskräftig. Insgesamt hatte der Investor mit dem Land einen Kaufpreis von rund 17 000 Euro vereinbart. Ein Sprecher des Investoren wollte sich gegenüber den PNN nicht weiter zu dem Erfolg für die Stadt und zum Vorgehen des Landes äußern: „Kein Kommentar.“ Unklar blieb so, ob der Investor rechtliche Schritte ergreifen wird.
Schon vor einer Woche waren auch die Stadtverordneten gegen die Pläne des Chirurgen vorgegangen und hatten beschlossen, für die südliche Dortustraße einen Bebauungsplan aufzustellen. Damit hatten sie festgelegt, dass der Bereich, in dem einst der Stadtkanal durch Potsdam verlief, freigehalten werden muss. Der Kanal sei ein unverzichtbares Element für die Wiedergewinnung der historischen Mitte, hieß es zur Begründung.
Gleichwohl liegt das Projekt Stadtkanal derzeit auf Eis, weil sich bisher nicht genügend Großsponsoren finden und die Stadt kein Geld dafür hat. Der Förderverein zur Wiederherstellung des Kanals hatte zuletzt aber erklärt, es gebe Investoren, die in der Innenstadt für 265 Millionen eine unterirdische Kultur- und Einkaufspassage bauen und betreiben würden – und zwar unter dem Stadtkanal, den dann bisher anonyme Geldgeber ausheben würden. Das Konzept hatte für heftige Kritik gesorgt (siehe Kasten).
HINTERGRUND
Finanzdezernent Burkhard Exner (SPD) glaubt nicht an den Plan einer 1,2 Kilometer langen unterirdischen Ladenpassage unter dem Stadtkanal. „Ich denke nicht, dass das eine realistische Option ist und dass so ein Projekt baufachlich funktionieren kann“, sagte Exner am Donnerstag den PNN. Die stammt vom Verein zur Wiedererrichtung des Stadtkanals, der nach eigenen Angaben bisher noch nicht öffentlich benannte Investoren dafür gewonnen hat. Aus der Politik gibt es aber schon jetzt scharfe Kritik. So erklärte die Grünen-Vizefraktions- chefin Saskia Hüneke, das Projekt sei überdimensioniert und würde der Landeshauptstadt mehr schaden als nutzen. Ebenso haben sich die Potsdamer Demokraten bereits explizit gegen das Projekt ausgesprochen – ebenso wie SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs und die Händlervertreter aus Babelsberg und der Innenstadt. Bisher hat einzig die Potsdamer Junge Union, die Jugendorganisation der CDU, das Projekt als „großartige Chance“ bezeichnet. (HK)
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