Landeshauptstadt: Ausnahmezustand in Bornim
Russische Fliegerbombe im Katharinenholz gesprengt / Evakuierung ohne Zwischenfälle
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Bornim - So etwas wie am Donnerstag hat Gerhard Kühnemund noch nicht erlebt. „Eine Bombe ist hier noch nie gefunden worden“, sagt der 75-Jährige, der seit 37 Jahren in Bornim wohnt. Er lehnt an einem Laternenpfahl an der Ecke Amundsen-/Potsdamer Straße und wartet darauf, dass er wieder in sein Haus kann. Doch das ist zu diesem Zeitpunkt nicht möglich: Auf dem Grundstück neben Kühnemunds Haus in der Potsdamer Straße liegt eine sowjetische Fliegerbombe, die bei privaten Bauarbeiten am Dienstag gefunden wurde. Sie soll entschärft werden. Kühnemund wartet bis 13.30 Uhr – erst dann ist die Bombe gesprengt und er auf dem Heimweg.
Er ist einer von rund 1000 Potsdamern, die am Mittwochmorgen bis sieben Uhr ihre zumeist Ein- oder Zweifamilienhäuser aus Sicherheitsgründen haben verlassen müssen. Der Sperrkreis hat einen Kilometer Durchmesser, die viel befahrene Bundesstraße 273 in Richtung Marquardt ist gesperrt, eine Kita und mehrere Einkaufsmärkte sind geschlossen. Und bis der Ausnahmezustand für den Vorort beendet ist, dauert es länger als gedacht. Denn bei der Entschärfung gibt es Schwierigkeiten mit dem Blindgänger – gegen 11.30 Uhr entscheidet Sprengmeister Ralf Kirschnick, dass die 75-Kilo-Bombe an einen anderen Ort transportiert und dort gesprengt werden muss. „Wenn die hochgeht, bleibt in meinem Haus keine Scheibe ganz – doch daran denke ich nicht“, sagt Kühnemund, nachdem er von der Verzögerung erfahren hat.
Die Entscheidung stellt das Ordnungsamt vor neue Schwierigkeiten. Denn die Bombe soll im nahegelegenen Katharinenholz gesprengt werden – nun muss auch noch das Waldstück abgesperrt werden, damit Fußgänger nicht in Gefahr geraten. Wie lange es noch dauern kann, ist gegen Mittag unklar. „Ich kann keine Prognose abgeben“, sagt Ordnungsamtschefin Marina Kluge, als sie von einem Anwohner gefragt wird. Eilig werden weitere Mitarbeiter aus dem Rathaus nach Bornim geholt, um den Wald zu sperren. Ein starker Platzregen gegen 12.20 Uhr behindert die Helfer weiter.
Die heikelste Aufgabe des Tages aber hat Sprengmeister Kirschnick. Würde die Bombe in die Luft gehen, könnten Splitter im Umkreis von mehreren hundert Metern für Verletzungen sorgen, erklärt der 46-Jährige. Vorsichtig müssen er und seine beiden Helfer die Bombe in einen Kleintransporter legen und sichern, dann im Schritttempo durch den Wald fahren. An einem Sandhügel heben sie eine Grube aus. Darin wird die Bombe platziert, mit weiterem Sprengstoff versehen und mit Sand bedeckt. Die Detonation wird mit einem Fernzünder ausgelöst. Es ist 13.22 Uhr, als weit über Bornim hinaus ein gewaltiger Knall zu hören ist.
Solche Szenen könnten in den kommenden Jahren in Potsdam seltener werden. Nach Angaben der Stadt aus dem vergangenen Jahr sind beispielsweise schon fast alle Grundstücke von Kitas und Schulen auf Blindgänger hin untersucht worden. Eine neue Statistik, etwa auch zur Zahl der gefundenen Bomben, will die Stadtverwaltung aber erst im Oktober veröffentlichen, sagt Stadtsprecher Markus Klier. Ihm ist es nach der Sprengung vor allem wichtig, der „besonnenen Bevölkerung in Bornim“ zu danken. Tatsächlich verläuft die Evakuierung ab sieben Uhr ohne Zwischenfälle. Knapp 100 Rathausmitarbeiter kontrollieren, ob alle Anwohner den Sperrkreis verlassen haben – es ist ein Streifzug durch schmale menschenleere Straßen, vorbei an verwaisten Vorgärten. Etwa 20 zumeist ältere Bornimer werden im Bürgerhaus der Arbeiterwohlfahrt in der Potsdamer Straße 90 betreut. Eine davon ist Regina Hollenbach. Sie sagt: „Wir sind froh, wenn das hier alles vorbei ist.“
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