zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Außen bunt, innen verkommen Über politischen Frust am Schlaatz

Von Marion Hartig Am Magnus-Zeller-Platz, einen Tag nach der Landtagswahl: Es ist mittags, 12 Uhr. Der Himmel hängt voller Wolken.

Stand:

Von Marion Hartig Am Magnus-Zeller-Platz, einen Tag nach der Landtagswahl: Es ist mittags, 12 Uhr. Der Himmel hängt voller Wolken. Eine junge Mutter mit Baseball-Cap auf dem Kopf ist mit ihren beiden Söhnen auf dem Weg zur Bushaltestelle. „Nein, ich hab“ gestern nicht gewählt“, sagt sie. Dass die DVU drei Prozent mehr Stimmen gewonnen hat als bei der vergangenen Landtagswahl findet sie gut. „Es gibt zu viele Ausländer hier“, meint sie. „Die machen Schwarzarbeit, bei meinem Nachbarn zum Beispiel, und nehmen Deutschen die Arbeitsplätze weg.“ Sie selbst gehört zu den 1130 Arbeitslosen des Wohngebiets. „Wenn die anderen Parteien das mit den Ausländern und den Jobs nicht in den Griff bekommen, dann vielleicht die Rechten“, hofft sie. Nur wenige der Spaziergänger, Ladenbesitzer, Jugendlichen und Einkäufer, die über den Platz mit den bunt gestrichenen Plattenbauten wandern, wissen, wie die Wahl ausgegangen ist, dass die Wahlbeteiligung am Schlaatz bei 40 Prozent lag (bei der Landtagswahl 1999 waren es 42,7), dass die SPD von damals 37,2 auf jetzt 29,9 Prozent gesunken ist, die CDU von 16,6 auf 8,2. Dass die PDS mit 40,2 Prozent (1999: 36,5) und die DVU mit 7,5 Prozent (4,7) zu den Gewinnern der Wahl zählen. Auch die alte Frau, die in dunklem Kittel vor ihrer Haustür steht, war nicht wählen. Politik interessiert sie nicht. Sie füttert ihre Katze und schimpft auf den Westen. „Alles ist so unsicher heute, man weiß nicht, was morgen auf einen zu kommt.“ Sie wünscht sich die DDR zurück. Eine zwanzigjährige Studentin eilt mit Gepäck unter dem Arm über den Platz. Sie kommt gerade aus Paris. An Briefwahl hat sie nicht gedacht. Schlimm, dass die DVU so viele Stimmen hat, sagt sie. Die Rechten zu wählen, sei nicht der richtige Weg aus der Arbeitslosigkeit. „Der Schlaatz ist ein Ghetto“, findet ein Historiker um die 50 in schwarzem Rollkragenpullover, der nur wenn er muss in die Gegend kommt, er wohnt in Potsdam Nord. Von wegen Stadtentwicklung, sagt er. „Die Fassaden sind zwar bunt, von innen aber sind die Häuser schmutzig, verdreckt und verkommen.“ Der Schlaatz sei tot. Keine Läden, keine Cafés. Es wundere ihn nicht, dass hier extrem rechts oder links gewählt werde. Im Imbiss an der Ecke verkauft ein Türke Döner. Er wohnt in Berlin, ist seit zehn Jahren hier. In der ersten Zeit hatte er es schwer, erzählt er, und mit Aggressivität ihm gegenüber zu kämpfen, aber das hat sich gelegt. Kahlgeschorene sieht er hier kaum. Vor einem Discounter in der Nähe sitzen zwei Männer mit Bier. Er hat nicht gewählt, weil er in der Politik nicht mehr durchblickt, sagt der eine. Er ist arbeitslos. Wenn er einen Job hätte, wäre er zufrieden, auch am Schlaatz. Er ist hier aufgewachsen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })