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Links und rechts der Langen Brücke: Außen und innen

Sabine Schicketanz möchte, dass alle Probleme des Theaterneubaus benannt werden – damit das Ensemble Erfolg haben kann

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Am nächsten Freitag ist es endlich so weit: Potsdam eröffnet sein neues Theater. Ein Prachtbau, ein Meisterwerk, aus jeder Perspektive faszinierend schön – von außen. Innen stimmt so einiges (noch) nicht. Die schlechte Akustik im Theatersaal und die nicht behindertengerechte Behinderten-Toilette sind die markantesten Mängel. Doch über die sollte nun, so kurz vor der großen Feierlichkeit, lieber nicht gesprochen werden. Stattdessen müssten die Stadt und das Ensemble des Hans Otto Theaters dankbar sein für das neue Haus – das scheint die vorherrschende Meinung.

Doch sie ist, bei aller ehrlichen Freude über das Bauwerk, das die Kultur endlich wieder unübersehbar in Potsdam verankert, nicht vertretbar. Zum einen, weil die Probleme um Gottfried Böhms Muschelbau symptomatisch sind für einen Interessenkonflikt, der auch an anderer Stelle schwelt: Genauso wie Böhm ist auch Oscar Niemeyer ein Pritzker-Preisträger, ausgezeichnet mit der höchsten Weihe der Architektenwelt. Der Brasilianer Niemeyer hat bekanntlich Potsdams Freizeitbad entworfen, das nun auf gutem Wege ist, verwirklicht zu werden. Kann die bestechende Architektur aber mithalten mit den Anforderungen der Nutzung? In Böhms Theaterneubau kann sie es nur bedingt – denn in einem Theatersaal darf es nun einmal keine Nachhallzeiten von mehreren Sekunden geben. Schauspiel funktioniert nicht, wenn die Schauspieler nicht zu verstehen sind. Der Kompromiss könnte die überzeugende Baukunst zumindest von innen verschandeln – wenn im trichterförmigenTheatersaal Schallschlucker aufgestellt werden müssen. Darüber wird sicherlich auch Gottfried Böhm nicht glücklich sein.

Ein Symptom sind die Mängel am Theaterneubau allerdings auch für die Politik in Potsdam: Dass die Akustik nicht zufriedenstellend ist, war seit Wochen und Monaten bekannt. Mindestens einmal ist jedoch zwischenzeitlich vermeldet worden, das Problem sei behoben. Nachfragen bei den Verantwortlichen des Theaterensembles ergaben jedoch das Gegenteil – noch immer ist die Nachhallzeit zu lang. Warum also wird das Problem kleingeredet? Warum bekennt sich die Stadt samt ihrer Verantwortlichen nicht dazu? Tut sie es unaufgeregt, sachlich, am besten mit einem Konzept zum Beheben der Fehler, entstehen Situationen wie die jetzige meist gar nicht erst. Stattdessen wird jedoch mit Vorliebe geschwiegen – oder beschönigt.

Die Schwierigkeiten allerdings müssen benannt werden – trotz aller „Nestbeschmutzer“-Reflexe. Auch im Sinne des Ensembles, das künftig den Neubau nutzen soll. Die Schauspieler seien verunsichert gewesen ob der Akustik, sagte der Intendant. Schlecht vor einer Höchstleistung, wie sie am kommenden Wochenende mit fünf Premieren an drei Tagen bevorsteht. Premieren, die aller Voraussicht nach den Grundstein legen werden für den künstlerischen Erfolg des neuen Theaters. Auf diesen ist das Hans Otto-Ensemble nicht nur finanziell angewiesen. Es muss auch mithalten können mit der außergewöhnlichen Klasse seiner neuen Heimstätte.

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