Etwas HELLA: Aussteigen oder fliegen
Hella Dittfeld über das Recht der Radfahrer auf mehr Weg
Stand:
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Eigentlich hatte ich mich ja darauf eingerichtet, an der Baustelle zum Stadtschloss wieder das unsägliche Schild „Ende des Radweges – Radfahrer absteigen“ vorzufinden. Und diesmal war ich gnadenlos gewillt, mir selber zwei neue Hinweise zu basteln, die da heißen: Autofahrer aussteigen und schieben und Fußgänger bitte fliegen. Wegen der Gleichbehandlung sozusagen. Da erwischt mich doch völlig unvorbereitet ein enormer Sinneswandel. Stadtauswärts ist für Radfahrer nicht nur ein Extraweg eingerichtet worden und das auch noch entgegen der Fahrtrichtung, auch stadteinwärts fehlen Absteigeschilder jeglicher Art. Haben wir Radler diesen Umdenkprozess dem beginnenden Wahlkampf und einem Buhlen sogar um unsere Gunst zu danken oder vielleicht der Kampagne „Mit dem Rad zur Arbeit“ oder eventuell der Sommerhitze, die selbst bürokratisch geordnete Gehirne durcheinanderbringt?
Bisher hatte ich jedenfalls den Eindruck, dass Radfahrer vorwiegend ein Störfaktor sind. Wer zum Beispiel nicht flott genug bei fehlendem Radweg irgendwelche Schlaglöcher umkurvt, wird gern angehupt. Soll doch der lahme Treter den Fußgängerweg benutzen. Dort aber habe ich mir schon jede Menge Vorträge angehört, selbst wenn oder gerade weil ich mich sehr rücksichtsvoll bewege. Dann haben die Schimpfenden mehr Zeit, auf mich einzuhacken, weil ich natürlich doof bin und nicht etwa selbst genervt durch Baustellen, holprige Wege oder seltsam geschaltete Ampeln. Dabei könnte ich auch ein paar gar nicht muntere Lieder singen von zugeparkten Radwegen, mit Mülltonnen zugestellten, von solchen, bei denen einem die Zweige ins Gesicht fitscheln und anderen, die eine einzige Holperstrecke sind.
Nur im Pulk hat der Fahrradfahrer offenbar eine reale Chance, sich durchzusetzen. In konzertierter Aktion ist es zum Beispiel gelungen, der Schlösserstiftung die Fahrrad-Schiebestrecken auszureden. Ständige Quengelei hat zumindest erst einmal zu einem Fahrradwegekonzept geführt. Und die Diskussion, der Zeppelinstraße auch auf der stadtauswärtigen Seite einen Radweg zu verpassen, finde ich geradezu kühn.
Dabei will ich keineswegs behaupten, dass die umweltfreundlichen Radler alles Engel wären. Sich kreuz und quer zwischen die Autos zu mogeln, ist nicht nur rücksichtslos, sondern auch halsbrecherisch. Auch das Fahren im Dunkeln ohne Licht mordsgefährlich. In solchen und ähnlichen Fällen kann ich sogar meine Nachbarin verstehen, mit der ich eigentlich wegen ihrer Ansichten im Clinch liege. Sie ist nämlich der Meinung, Radfahrer gehören in ein Reservat und nicht in den Straßenverkehr.
An dieser Stelle schreibt alle zwei Wochen Hella Dittfeld über Dinge, die sie erfreuten oder ärgerten und hofft, dass dadurch ihr geliebtes Potsdam etwas heller wird. Man darf aber auch ganz anderer Meinung sein.
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