Landeshauptstadt: Auszeiten und Ausrutscher
Bei der StVV lagen zum Schluss die Nerven blank
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Bei der StVV lagen zum Schluss die Nerven blank Von Hella Dittfeld „Ein schlichtes Gemüt schützt vielleicht vor Umwelteinflüssen, aber zu vorgerückter Stunde geht es doch auf die Nerven“, sagte Stadtverordneter Lutz Boede (Die Andere) kurz vor 22 Uhr in der Stadtverordnetenversammlung und hätte dafür eigentlich Beifall verdient. Denn der schlichte Wunsch, als Partei eine gute Figur zu machen und genau die Punkte auf die Tagesordnung zu setzen, die die eigene Klientel bewegen, hatte wieder einmal zu einem Mammutprogramm geführt. Auch zu Tagungsordnungspunkten, die gar nicht in die StVV gehörten. Die Vorsitzende der StVV Birgit Müller (PDS) sah in der Boedeschen Äußerung jedoch eine Beleidigung von Vorredner Andreas Mühlberg (SPD), auch andere Stadtverordnete hatten auf einmal jede Art von Humor oder Großzügigkeit verloren. Oder war nur Boede im schwarzen T-Shirt plötzlich ein rotes Tuch? Müller jedenfalls beantragte genau zehn Minuten vor Sitzungsschluss eine Auszeit von zehn Minuten, nach der Mühlberg erklärte, er könne durchaus als schlichtes Gemüt weiterleben. Tumult und Vertagung der StVV auf Montag, nachdem man schnell die ehrenamtlichen Richter durchgewinkt hatte. Aber auch zuvor schon gereizte Stimmung bei einem Duell zwischen Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und Hans-Jürgen Scharfenberg (PDS), was nach dem Sitzungsmarathon und der kniffligen Abstimmung über den Haushalt fürwahr nicht wunderte. Wunsch vieler Beobachter im Saal: Bei allem Verständnis dafür, sich vor Wahlen gut zu präsentieren, sollte wieder mehr Disziplin in die StVV einkehren. Nicht jedes Problem muss dort hinein und nicht für jede selbstverständliche Anstrengung muss ein Beschluss herbeigeführt werden. Dass die Kulturhauptstadtbewerbung zum Beispiel weiter forciert werden muss liegt auf der Hand – und das bekräftigte auch der OB. Die beharrlich auf Beschluss bestehende PDS steckte eine Niederlage ein. Auch die Diskussion um die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die ausuferte, regelt letztlich EU- und Bundesgesetz. Was also hätte ein Stadtverordnetenbeschluss gegen den Anbau geändert? Er wäre lediglich für den Wissenschaftsstandort Golm das falsche Signal, fand Andrea Wicklein (SPD). Auch hier Ablehnung. 138 Punkte hatte die Tagesordnung der letzten Stadtverordnetenversammlung, an die 30 hatte man schon selbst gestrichen oder zurückgezogen, genau so viele bleiben noch zum Nachsitzen am Montag. Und dabei hat sich schon bestens bewährt, dass viele Anträge bei Einbringung nicht diskutiert, sondern erst einmal zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen werden. Was von dort hin- und hergewendet zurückkommt, kann dann ebenfalls ohne große Diskussion abgestimmt werden. Das gelingt recht gut bei Bauthemen. Einen Rekord stellte übrigens der Umweltausschuss auf. Er ließ den geänderten Bebauungsplan Hügelweg binnen zweier Minuten passieren. In einer Auszeit.
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