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Spröder Charme. 1912 gebaut, steht die „Neue Halle“ des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks für Potsdams Eisenbahngeschichte. Doch seit Jahren rottet das denkmalgeschützte Gebäude vor sich hin. Nun könnte es eine neue Chance geben.

© Manfred Thomas

Gelände am Potsdamer Hauptbahnhof: Autos statt Loks

In die Potsdamer RAW-Halle soll ein Autohaus einziehen. Eine Nutzung für den Einzelhandel ist hingegen gescheitert.

Stand:

Für die seit Jahren leer stehende Halle des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks (RAW) nahe dem Potsdamer Hauptbahnhof zeichnet sich eine neue Nutzung ab. Das teilte Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp (Grüne) am Dienstagabend im Bauausschuss mit. Demnach strebe der Eigentümer des Grundstücks und der Halle in der Friedrich-Engels-Straße – das Immobilienunternehmen Semmelhaack – an, in dem denkmalgeschützten Komplex unter anderem ein Autohaus mit Werkstatt anzusiedeln. Außerdem sei es denkbar, auf 300 bis 400 Quadratmetern des „Neue Halle“ genannten ehemaligen Lokschuppens auch „kleinteilige Versorgungseinrichtungen“ unterzubringen, so Klipp, ohne damit das Einzelhandelskonzept infrage zu stellen. Außerdem gebe es eine Anfrage eines Fitnessstudios, hieß es im Ausschuss. Auf einer Freifläche neben der Halle könnte eine Tankstelle gebaut werden.

Eine überwiegende Nutzung der Halle als Einzelhandelsstandort ist offenbar vom Tisch: Das Unternehmen Semmelhaack habe am Dienstag zugesagt, Verhandlungen mit der Supermarktkette Rewe zu stoppen, so Klipp. Von Semmelhaack war am Mittwoch auf Nachfrage keine Stellungnahme zu bekommen. Offen blieb daher auch, welche Interessenten das Immobilienunternehmen für die Nutzung als Autohaus hat und wann eine mögliche Sanierung der Halle beginnen könnte.

In der vergangenen Woche hatte sich vor allem die Linke für die Halle als Einzelhandelsstandort starkgemacht. Für die Halle gebe es einen Interessenten, der damit auch das Baudenkmal retten könnte, hatte Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg den PNN gesagt. Der Standort sei weit genug von anderen Angeboten entfernt, so Scharfenberg. In der Verwaltung hatte insbesondere für Unmut gesorgt, dass die Linke mit einem Antrag in der Stadtverordnetenversammlung die Einzelhandelspläne anschieben wollte. Gegen diese Idee hatte sich Klipp mit deutlichen Worten ausgesprochen: Er nannte es unredlich, dass die Linke an die Stadtverordneten ein Prospekt verteile, in dem die RAW-Halle als Supermarkt zu sehen war, ohne den Urheber zu nennen. Mit ihrem Vorstoß gefährde die Linke das gesamte Einzelhandelskonzept der Stadt. Dem widersprach Scharfenberg: „Wir wollen das Einzelhandelskonzept an keiner Stelle aufmachen, wir wollen nur über die Möglichkeit von Einzelhandel an diesem Ort verhandeln.“

Tatsächlich stünde ein Supermarkt in dem ehemaligen Lokschuppen in Gegensatz zum Gewerbeflächensicherungskonzept. Darin wird explizit die Vermarktung für eine Gewerbeansiedlung genannt. Die Verwaltung habe dem Eigentümer jedes Jahr Hilfe bei der Vermarktung angeboten. „Mehr können wir nicht tun“, sagte Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs dazu am Dienstag im Bauausschuss. Passiert sei jedoch nichts. Solange der Eigentümer die Möglichkeit sehe, politisch eine lukrativere Nutzung in Form eines Supermarktes durchzusetzen, werde er sich nicht um weniger lukrative gewerbliche Nutzer bemühen, so Klipp.

Gegen einen Supermarkt auf dem Gelände spricht auch das derzeit diskutierte neue Einzelhandelskonzept: Es sieht im Wohngebiet am Hauptbahnhof keine Nahversorgungslücke. Im Umfeld leben etwa 1000 Einwohner. Im Hauptbahnhof und im Bereich Heinrich-Mann-Allee/Horstweg gebe es bereits zahlreiche Einzelhandelsangebote, heißt es in dem Konzept. Ein weiterer Supermarkt sei nicht standortgemäß dimensioniert und deshalb unzulässig.

Die Halle machte in den vergangenen Jahren mehrfach Schlagzeilen: 2005 hatten die Stadtverordneten in einem Nutzungskonzept Planungsziele festgelegt. Ein Technikforum und Treffpunkt für Liebhaber historischer Fahrzeuge sollten in die historischen Gemäuer einziehen. Die Bahn AG konnte sich Kunstausstellungen vorstellen. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen wurde das insgesamt 85000 Quadratmeter große Gelände, auf dem auch die „Neue Halle“ steht, zu Beginn des Jahres 2007 von der Bahn AG an das Unternehmen Semmelhaack verkauft. Kurze Zeit nach dem Kauf bezeichnete die Messe Potsdam die Halle als optimalen Standort für ein Messezentrum. Doch die Pläne wurden nicht umgesetzt, die Halle verfiel weiter.

Im April 2012 brannte es dann in dem Gebäude. Eine weithin in der Stadt sichtbare Rauchsäule stieg auf. Insgesamt mussten rund 60 Feuerwehrleute anrücken, um das Feuer zu löschen. Bei dem Einsatz wurde nach Polizeiangaben ein Feuerwehrmann leicht verletzt. Der Einsatz dauerte vier Stunden. Den Feuerwehrleuten gelang es, eine Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Die Polizei ermittelte wegen Brandstiftung. Im vergangenen Jahr war sogar von einem Teilabbruch der denkmalgeschützten Halle gesprochen worden. Die 1912 errichtete RAW-Halle wurde deshalb im Fachbereich Denkmalpflege auf der Liste der gefährdeten Denkmale geführt.

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