Landeshauptstadt: Babelsberg auf historischen Ansichtskarten „Schweinebäuche“ am Nikolaisaal Geheimer Ort wird ab August saniert
Potsdams historisches Straßenpflaster – ein lehrreicher und vergnüglicher Spaziergang mit Felix Merk Materialprobleme verhinderten lange Zeit den Baustart für die Muschelgrotte – jetzt sind Raseneisensteine gefunden worden
Stand:
Potsdams historisches Straßenpflaster – ein lehrreicher und vergnüglicher Spaziergang mit Felix Merk Materialprobleme verhinderten lange Zeit den Baustart für die Muschelgrotte – jetzt sind Raseneisensteine gefunden worden Von Erhart Hohenstein Babelsberg - Den beachtlichen Schatz von 521 historischen Ansichtskarten bot Dr. Otto Griep dem Potsdam-Museum einst an. Dass er tatsächlich in dessen Besitz überging, ist Oberbürgermeister Jann Jakobs zu verdanken. Er startete an seinem 50. Geburtstag eine Geldsammlung zum Ankauf der Ansichtskarten. Die Resonanz war so groß, dass nicht nur die Sammlung erworben, sondern teilweise auch in der Schriftenreihe des Potsdam-Museums abgedruckt werden konnte. „Neuendorf– Nowawes – Babelsberg auf historischen Ansichtskarten“ ist der Titel der 120-seitigen Broschüre, die für sechs Euro im Museumshaus Benkertstraße 3 erworben werden kann. Eine Besonderheit der Veröffentlichung ist, dass sie dem langjährigen Leiter der Abteilung Geschichte des Potsdam-Museums, Hartmut Knitter, zum 70. Geburtstag gewidmet ist. Thomas Wernicke hat die Biografie des Stadthistorikers geschrieben und aus dem Vorwort von Hannes Wittenberg ist zu entnehmen, dass der Jubilar auch Initiator der Schriftenreihe, dessen 38. Heft die Babelsberg-Postkarten enthält, ist. Die Ansichten, die bereits in einer Ausstellung des Potsdam-Museums zu sehen waren, geben einen Einblick in die drei Vororte Potsdams, die heute eingemeindet sind, und informieren über deren Bedeutung als Industriestandorte, über Baulichkeiten und städtisch-dörfliches Leben. Von der alten Industrie ist so gut wie nichts mehr geblieben, manche Wohnstraße aber scheint bis heute unverändert. G.S. Sonst mit Füßen getreten, wurde es endlich einmal ins Licht gerückt: das Potsdamer Straßenpflaster. Diese Aufgabe übernahm am Dienstagabend in einem Spaziergang der Urania Stadtgartendenkmalpfleger Felix Merk, der nicht nur für das Grün, sondern auch für die Potsdamer Straßen und Plätze zuständig ist Am Alten Markt sind Reste von Holzbohlenstegen aus dem 13. Jahrhundert ausgegraben worden, die man als Beginn der Pflasterung ansehen könnte. Eine Legende verlegt sie ins Jahr 1540. Damals ließ der Magistrat jeden Bürger, der über die unbefestigten Straßen fluchte, strafweise ein bis vier Ruthen Strecke pflastern. So sei die Stadt in Windeseile zu festen Straßen gekommen. Das bleibt eine Legende, denn Pflastern ist eine Kunst und kann nicht von jedem Laien ausgeführt werden. Dazu zitierte Merk eine „Pflasterordnung“ von 1826. Schon auf dem Neuen Markt, wo der Stadtspaziergang begann, findet sich eine vielgestaltige, bei der Neugestaltung des Platzes rekonstruierte Pflasterung. Die Randbereiche bestehen aus verschiedenfarbigen Lesesteinen, wie man sie auf den Äckern aufsammelte. In der Mitte der Fahrbahn verläuft jedoch eine Spur aus behauenen, relativ glatten so genannten Reihensteinen, die aus Brüchen bezogen wurden und wesentlich teurer waren. Sie ließ die Kutschen und Wagen etwas sanfter rollen. Mit Regenrinnen hatte in Potsdam die Pflasterung begonnen, dann waren die Bürgersteige angefügt worden. Auch Gehwege besaßen in der Mitte eine glattere Laufspur, für die oft größere Platten aus schlesischem Granit verwendet wurden. Das zeigte Felix Merk u.a. in der Wilhelm-Staab-Straße am Nikolaisaal. Am Haus und am Rinnsteinbord verlaufen zwei Streifen aus bunten Lesesteinen, dann zwei aus Mosaiksteinen, und in die Mitte sind als Laufspur auf der Unterseite leicht wölbte Granitplatten eingefügt, die deswegen „Schweinebäuche“ genannt wurden. Das Mosaikpflaster kam Ende des 19. Jahrhunderts auf. Dafür wurden Bernburger Kalkstein oder Plötzkier Mosaik, benannt nach ihren Abbauorten, verwendet. Es ist noch in vielen Straßen der Innenstadt erhalten. Nach der Wende wurde zum Beispiel bei der Instandsetzung der Lindenstraße auch der Bürgersteig originalgerecht erneuert. Hinter den Bürgersteigen hinkten die Fahrbahnen zurück. Lange Zeit unbefestigt, wurden ab Ende des 18. Jahrhunderts vor allem die Landstraßen „chaussiert“, das heißt auf einem Damm durch eine Packlage aus Schotter und Kies und eine Deckschicht, später auch durch Kleinsteine, stabilisiert. Preußens erste derartige Kunststraße war die von Potsdam über die Glienicker Brücke nach Berlin (heute Teil der B 1), nachdem zuvor die Hauptallee im Neuen Garten auf diese Weise ausgebaut wurde. Doch selbst städtische Straßen außerhalb des Zentrums wurden nicht gepflastert, sondern nur chaussiert. Dazu zählte die Große Weinmeisterstraße. Immer wieder beschwerten sich die Eigentümer der ab Mitte des 19. Jahrhunderts dort errichteten Villen über den aufwirbelnden Staub – bis zu dreimal täglich wurden Sprengwagen eingesetzt – , vor allem aber über die Geruchsbelästigung. Sie entstand, weil Urin und Kot der Zugpferde in die Straßendecke eindrangen. Dabei besaßen solche Wohlhabendenviertel in der Regel auch die beste Pflasterung, woher die Redewendung „ein teures Pflaster“ rührt. Seinem Zuhörerkreis machte Merk deutlich, dass die Potsdamer Denkmalpflege historisches Pflaster, wo es noch existiert oder wieder hergestellt werden kann, als „Zeugnis der Stadtgeschichte und der traditionellen Pflasterkunst“ bewahren möchte. Dazu muss stets der Kompromiss mit dem Bereich Straßenbau gesucht werden, der modern und kostensparend bauen will. E. Hohenstein Nauener Vorstadt - Die Sanierung der geheimnisvollen Muschelgrotte im Neuen Garten kann beginnen. In den kommenden Tagen soll bereits Baustart sein, nachdem die für die Sanierung notwendigen Raseneisensteine erworben werden konnten, teilte Roland Schulze von der beauftragten Baudenkmalpflege GmbH den PNN mit. Seit Herbst vorigen Jahres steht die Muschelgrotte nahe der Meierei im Neuen Garten in Gerüsten. Sie sind auch deshalb notwendig, um die Spaziergänger vor herabfallenden Steinen zu schützen. Ansonsten tat sich lange Zeit scheinbar nicht viel an dem Bauwerk, das mit Hilfe eines Fördervereins saniert und restauriert werden soll. Im Inneren, wo bereits Ende 2003 eine Auftaktveranstaltung stattfinden sollte, lagern geborgene Bau- und Fassadenteile. Vorstandsmitglied Matthias Ruoff kann jedoch rechts über dem an der Westseite gelegenen Haupteingang ein Experimentierfeld zeigen, in dem die aus Raseneisenstein bestehende Fassadenverkleidung bereits erneuert worden ist, um Rückschlüsse auf die erforderliche Technologie zu ziehen. Dafür hat die Baudenkmalpflege GmbH Roland Schulze gesorgt, die die Wiederherstellung der äußeren Hülle der Grotte übernommen hat. Sie muss das Ziegelmauerwerk sanieren, von dem sich die vorgesetzte Schale aus Raseneisensteinen weitgehend gelöst hat. Für die Erneuerung dieser Schale, die mit Edelstahlankern am Mauerwerk verankert wird, fehlte es lange Zeit an Steinen größeren Formats. Nach Monaten der Suche ist Firmenchef Roland Schulze – selbst Vereinsmitglied – nunmehr nicht weit entfernt in der Mark Brandenburg fündig geworden. Das dunkelbraune bis schwärzliche Raseneisenerz, das früher auch abgebaut und verhüttet wurde, findet sich noch heute am Boden mancher sumpfiger Senken; außerdem wurde es zum Bau von Scheunen und Ställen verwendet. Nach Klärung der rechtlichen und Transportprobleme wird das Material nach Potsdam gebracht. „Anfang August wollen wir mit den Sanierungsarbeiten beginnen“, erklärte Roland Schulze. An der Westseite sollen sie bis Weihnachten abgeschlossen werden. Was die ersten Veranstaltungen in der Grotte betrifft, die dann noch Baustelle sein wird, „stehen wir mit scharrenden Füßen“, versicherte Matthias Ruoff. Dafür muss allerdings der Fußboden repariert und die Elektroversorgung gesichert werden. Ebenso kompliziert wie die Wiederherstellung der äußeren Hülle wird die Innenrestaurierung der Grotte. Dafür gibt es noch keine Ausschreibung. Dienten anderenorts solche Grotten als Stätte höfischer Geselligkeit, war das Bauwerk am Jungfernsee abgeschieden von der Außenwelt ein geheimer Ort. Ob König Friedrich Wilhelm II. dort spiritistische Sitzungen zur Beschwörung der Geister verstorbener Verwandter und Freunde abhalten ließ, konnte nicht nachgewiesen werden – ist jedoch wahrscheinlich. Der Förderverein möchte die Grotte zur Besichtigung freigeben und für Vorträge, Lesungen, Konzerte oder auch Empfänge und Trauungen nutzen. Für die Restaurierung hat er ein Spendenkonto eingerichtet.
Erhart Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: