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Steffi Pyanoe.

© A. Klaer

Kolumne PYAnissimo: Über das Teltower Rübchen: Back to the roots

Eine kürzlich durchgeführte repräsentative Umfrage in der PNN-Redaktion ergab: Keiner von uns hat jemals ein Teltower Rübchen gegessen. Jedenfalls nicht bewusst.

Stand:

Eine kürzlich durchgeführte repräsentative Umfrage in der PNN-Redaktion ergab: Keiner von uns hat jemals ein Teltower Rübchen gegessen. Jedenfalls nicht bewusst. Unser Fotograf hat bei einem Pressetermin mal ein Löffelchen Rübchensuppe probiert – ohne nachhaltige Wirkung, wie es scheint. Dabei haben wir gerade erst über den Rübchenanstich im Umland geschrieben. Dass es das Rübchen in diesem trockenen Jahr auf dem Sandboden extra schwer hatte und es deshalb etwas mickrig ausfällt. Was auch der Vorsitzende des Rübenvereins, ein gewisser Landtagsabgeordneter Sören Kosanke, nicht hatte verhindern können.

Aber ich will jetzt kein Rübenbashing betreiben und habe deshalb einen Selbstversuch durchgeführt. Ich wollte wissen: Was ist dran am sogenannten Edelgemüse? An der kaum fünf Zentimeter langen weißen Wurzel, oben gern etwas rundlich, mit ausgeprägten Querstreifen und an der Spitze bisweilen haarig oder gar verzweigt. Was hat es damit auf sich?

Ich gehe also zum Markt auf dem Bassinplatz. Der Gemüsemann aus Planebruch hat keine Rübchen. Darf man die überhaupt einfach so außerhalb Teltow anbauen, fragt er sich, oder ist das nicht ein geschütztes Produkt? Als Ersatz bietet er Pastinaken an. Sind größer und kräftiger als das Rübchen und waren früher, bevor die Kartoffel nach Preußen kam, weit verbreitet. „Kaufen die Leute oft für Babybrei“, sagt er. Ich schnuppere an der weißen Wurzel, sie riecht nach Rettich und Karotte. Die gibts übrigens auch an dem Stand, zum Beispiel eine violette mit Namen Purple Haze, „wie der Song von Jimmy Hendrix“. Ich nehme auch eine Purple Haze mit, der Gemüsemann macht noch einen Witz über Pasternak und offenbart erstaunliches Grundwissen über russische Literatur, dann gehe ich weiter auf Rübchensuche.

Am Nachbarstand kaufe ich einen Pirella-Apfel, nie gehört, aber er duftet so schön. Rübchen? Hat er nicht. Noch nicht. Ich soll Mitte Oktober wieder kommen. „Wenn der Szilleweit erntet, dann brauchen wir noch zwei Wochen.“

Ich ahne, das Rübchen ist kompliziert. Denn auch der nächste Bauer – kein Rübchen. „Danach fragt zwei Mal im Monat jemand“, sagt der Händler. Und ruft rüber zum Nachbarstand: „Teltower Rübchen – hast du so was?“ Aber der ist Italiener, bei ihm gibt es alles, nur nichts aus Teltow. Ich nehme ein Stückchen Import-Topinambur. Sieht aus wie eine Kreuzung aus Knolle und Gürteltier und ist ziemlich teuer. „Ist gut für Diabetiker“, erklärt der Italiener. „Einfach in die Suppe raspeln oder in den Salat.“

Zu Hause lege ich eine alte Jimmy Hendrix CD ein und schäle, schnippel und raspel meine Wurzeln. Überraschung: Die lila-roten Scheibchen der Purple Haze sehen aus wie ein Batik-Shirt der Flower Power Zeit. Ich denke an Alfred Biolek und seinen Spruch: „Das schmeckt interessant“, und schreibe in meinen Kalender, Mitte Oktober: Rübchen kaufen, zweiter Versuch.

Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg

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