17-Punkte-Papier: „Bald Münchner Niveau“
Potsdams Jusos-Chef David Kolesnyk über eine neue Strategie gegen steigende Mieten in der Stadt.
Stand:
Herr Kolesnyk, die Potsdamer Jusos warnen, angesichts der Mietsteigerungen in Potsdam würden in spätestens zehn Jahren Münchner Verhältnisse erreicht. Ist das nicht übertriebene Panikmache?
Aus unserer Sicht nicht. Wenn man sich die Mietpreissteigerungen bei Neuvermietungen anschaut und über zehn Jahre fortführt, kommt man zu einer Verdoppelung der Miete und dem derzeitigen Münchener Niveau. Mieter, die ihre Wohnung nicht wechseln, sind davon aber natürlich nicht betroffen, auch wenn die Miete hier ebenfalls anzieht.
Die Jusos haben ein neues 17-Punkte-Papier vorgelegt, um das Mietenproblem zu bekämpfen. Sie fordern darin, dass private Investoren bei Neubauprojekten zur Förderung sozialen Wohnraums verpflichtet werden sollen. Geht das so einfach?
In München und Hamburg macht man das. In München beispielsweise müssen Investoren ein Drittel Sozialwohnungen schaffen, ein weiteres Drittel nach dem sogenannten Münchener Modell und nur ein Drittel der Wohnungen können sie vollkommen nach ihren Vorstellungen bauen und vermieten. Dieses Modell wird sicherlich nicht eins zu eins hier umsetzbar sein, zeigt aber deutlich, dass man auch private Investoren stärker in die Pflicht nehmen kann und muss.
Sie argumentieren auch, die Stadt solle ihr Ziel überdenken, pro Jahr fünf Millionen Euro aus dem Verkauf von kommunalen Eigentum zu erzielen. Woher soll das Geld denn aus Ihrer Sicht sonst kommen? Provokant gefragt: Aus der Kultur?
Man muss feststellen, dass städtische Grundstücke endlich sind und man so nicht dauerhaft Aufgaben finanzieren kann. Ebenso braucht man Grundstücke um Infrastruktur, wie Schulen, Kitas oder Turnhallen errichten zu können. Wenn die Stadt diese nicht hat, wo der Bedarf besteht, weil man alles verkauft hat, steht sie dumm da. Von daher sind städtische Grundstücke zur Haushaltssanierung ungeeignet. Das heißt nun aber nicht, dass man das Geld bei der Kultur streichen muss. Vielmehr muss die Stadt für die nötige Kommunalfinanzierung durch Land und Bund kämpfen, um den Menschen eine lebenswertes Umfeld bieten zu können. Zudem ist Potsdam eine wachsende Stadt, die auch Kredite für nötige Investitionen aufnehmen kann. Man muss auch sehen, dass der städtische Haushalt der Jahre unterm Strich ausgeglichen war.
Finanzexperten werden sich auch an Ihrem Vorschlag reiben, die Pro Potsdam zu verpflichten, 1000 Wohnungen pro Jahr und nicht wie bisher geplant, in zehn Jahren zu verpflichten... Wie soll das gehen - auch angesichts der Flächen, die es in Potsdam noch gibt?
Zumindest beim Parteitag der SPD Potsdam hat sich von den dortigen Finanzexperten niemand zu Wort gemeldet. Es geht uns hier ganz klar darum, dass allen bewusst sein muss, dass der soziale Ausgleich in der Stadt auch Geld kostet. Zum einen muss die Stadt der ProPotsdam mehr Sicherheiten geben, damit diese günstiger an Kredite kommt. Auch kann man an der Schraube des zur Kreditaufnahme notwendigen Eigenkapitals drehen. Schließlich kann und muss man der ProPotsdam kostenfrei Grundstücke zur Verfügung stellen und auch über Zuschüsse nachdenken. Darüber hinaus beziehen wir auch die Genossenschaften in unsere Überlegungen ein. Auch hier kann man mehr Hilfestellungen bieten. Dann ist die Zahl von 1000 Wohnungen im Jahr, deren Eigentümer nicht der Gewinnmaximierung unterworfen sind, erreichbar.
Schließlich wollen Sie, dass der Potsdamer Gestaltungsrat sich neu ausrichtet, die Stadt müsse weg von „provinziellen Kleinstadtarkadien“. Heißt das, Sie wollen für eine Stadt wie Potsdam gesichtlose Massenwohnungsarchitektur?
Nein, das wollen wir nicht. Wir fordern auch gezielt kleinteilige Grundstücksausschreibungen und weitere Unterstützung für Baugemeinschaften. Wir sehen aber, dass mitunter heftiger und intensiver über ästhetische Fragen diskutiert wird, als über den sozialen Ausgleich in Potsdam. Gerade dafür sind aber oft weniger Masse und höhere gestalterische Ansprüche Gift. Es ist klar, dass es Zonen in der Stadt gibt, wo eine behutsamere Bebauung erfolgen muss. Hier gibt es aber ein Denkmalamt und die Pufferzone des Weltkulturerbes. Doch selbst nach deren Einbeziehung getroffene Entwürfe werden hier rauf und runter diskutiert. Gesichtslos ist zudem eine eintönige Stadt und keine, die allen Einkommensgruppen ein Zuhause bietet.
Die Linken in Potsdam haben ihr Positionspapier begrüßt, aber auch gelästert, sie bezweifeln, dass sie in der Potsdamer SPD damit besonders viel Gehör finden … Sind ihre 17 Punkte also für den Papierkorb?
Sie sind ein Beitrag zu einer der wichtigsten Fragen in unserer Stadt: Bleibt Potsdam eine vielfältige Stadt für Jung und Alt, für Familien und Singles? Auch die Beschlusslage der SPD geht auf unser Betreiben hin in diese Richtung: 1000 Wohnungen im Jahr durch ProPotsdam und Genossenschaften, keine Übergewichtung architektonischer Geschichtspunkte und mehr sind solche Punkte. Unsere 17 Punkte sind nun Vorschläge, das auch konkret umzusetzen und zu erreichen.
Heftig wird in der Stadt auch über den Staudenhof-Abriss gestritten. Wie sehen sie das Vorhaben, dass die SPD mitbeschlossen hat?
Wir haben hier erfolgreich eine Beschlusslage herbeigeführt, die fordert, dass nach Abriss mehr Wohnungen neu entstehen müssen. In der Debatte ist auch klar, dass die neu entstehenden Wohnungen nicht teurer sein dürfen, als nach Sanierung des Staudenhof. Aus unserer Sicht braucht es eine ruhige und sachliche Debatte, wo weder Schönheit noch die bloße Existenz eines Gebäudes Hauptargumente sind. Wir sind gegen Potsdam als Disneyland oder Honeckers Vorgarten. Wir sind für ein Potsdam, das seiner Vergangenheit Rechnung trägt, den Wünschen seiner Einwohner entspricht und in Zukunft vielfältig bleibt.
Die Fragen stellte Henri Kramer
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