Landeshauptstadt: Bald nun ist Weihnachten Die „Suppenküche“ muss aus der Lindenstraße 29 ausziehen, irgendwann. Ein Besuch zur Mittagszeit
Von Guido Berg „Eintritt ohne Alkohol“ warnt ein Schild neben der Klingel, die nicht gebraucht wird zur Mittagsstunde. Die Tür gibt auf leichten Druck hin nach.
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Von Guido Berg „Eintritt ohne Alkohol“ warnt ein Schild neben der Klingel, die nicht gebraucht wird zur Mittagsstunde. Die Tür gibt auf leichten Druck hin nach. Noch ein paar Schritte vor der Lindenstraße 29 deutet nichts darauf hin, was sich hinter der Tür verbirgt. Rechts vom Flur ist ein Raum, er ist Aufenthaltsraum, Raucherraum, Essenraum. Männer und Frauen sitzen vor vollen Tellern, die Portion Nudeln und Tomatensoße mit dicken Bockwurstscheiben drin kostet 1,50 Euro. Etwa 30 Mahlzeiten 365 Mal im Jahr kochen Magrit Hagan und Friedhelm Loter in der „Suppenküche“ der Volkssolidarität, im Winter sind es etwas mehr. Ihre Stelle ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, seine wird „von der Sparkasse gesponsert“. Über ihre Arbeit werde von Jahr zu Jahr entschieden, insofern „leben auch wir von der Hand in den Mund“, sagt Loter, ein groß gewachsener Mittvierziger, von dem die Kundschaft sagt, der „hier gegen den Alkohol durchgegriffen“ hat, das war er. Loters Sorge ist jetzt eine andere: Es sei klar, dass die „Suppenküche“ das Gebäude in der Lindenstraße irgendwann räumen muss, die Stiftung Großes Waisenhaus wolle sanieren. Die Stadtverwaltung und die Gemeinnützige Wohn- und Baugesellschaft (Gewoba) suchten nach einem neuen Quartier, bislang erfolglos. „Oma“, ruft ein junger Mann, „möchst“ Du die Nudeln mit “nem Löffel oder “ner Gabel essen?“ Johannita Schwonburg nimmt einen Löffel für die Spirelli. Auf dem Tisch steht eine Vase mit grün und rot gefärbten Gräsern drin und neben der Vase liegt ein rotes Schreibheft. „Ach, da ist es ja“, ruft Ulrike Otto. Die 35-Jährige ist Sozialarbeiterin der Volkssolidarität und in ihr rotes Heft notiert sie jetzt ein Problem, von dem die Rentnerin noch erzählen will vor dem Essen: Sie ist umgezogen, genießt jetzt die Vorteile des betreuten Wohnens, doch für die Vorgänger-Wohnung soll sie noch zwei Monate weiter Miete bezahlen und sie weiß nicht wovon. Ulrike Otto wird die Wohnungsgesellschaft anrufen und eine Ratenzahlung vermitteln. Auch Ulrike Ottos Stunden in der Suppenküche werden von der Sparkasse bezahlt. Jeden Montag radelt die Mutter dreier Kinder mit einem roten Fahrradhelm auf dem Kopf in die Lindenstraße und hat ihr rotes Heft dabei. Die zierliche Frau spricht mit den Leuten, hört zu, notiert Probleme. Sie komme gern her. Nur auf die fensterlose Toilette, die keine Unterschiede zulässt für Männlein und Weiblein und in der die Dusche steht und eine Waschmaschine, gehe sie nie. Dem ersten Raum folgt noch einer. Hier ist die Essensausgabe und rauchen verboten. Eine junge Mutter hilft ihren Kindern beim Anziehen, ihr Blick ist scheu. Sie hat gegessen, die Kinder haben gegessen, im Flur sucht sie auf einer langen Tafel nach geeigneten Nahrungsmitteln zum mit nach Hause nehmen. Das neue Quartier, das noch gefunden werden muss, sollte mehrere Räume bieten, erklärt Ulrike Otto. Um in Raucher und Nichtraucher trennen zu können, schon weil immer mehr Familien mit Kleinkindern ins „soziale Zentrum“ kommen, wie die Suppenküche richtig heißt. Es sollte zudem ein Beratungsraum geben, um ungestört reden zu können. Obdachlos zu sein, sei für manche bequemer, als zu Ämtern zu gehen. „Viele“, sagt Ulrike Otto, „haben Verletzungen erlitten im Leben. Die haben nicht den Mut, nicht die Kraft, ihre Situation zu ändern.“ Und es sollte getrennte Duschen und getrennte Toiletten am neuen Standort geben, findet Ulrike Otto. Das manche Anwohner kein „soziales Zentrum“ in der Nähe haben wollten, verstehe sie sogar – „Obdachlose stinken, aber dafür haben wir ja die Dusche und die Waschmaschinen und Rasierzeug haben wir auch da.“ Der Stadtverwaltung und der Gewoba stellt die Sozialarbeiterin gute Zeugnisse aus: „Die sind bei der Suche nach Räumen sehr aktiv.“ Nur Magrit Hagan, die ABM–Kraft aus der Küche, kann sich eine kleine Kritik an den Stadtoberen nicht verkneifen: „Seit Weihnachten war keiner mehr hier.“ Lange muss sie nun nicht mehr warten.
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