Landeshauptstadt: Bauen erst, wenn die Schuld Konsens ist
Pfarrerin der Nagelkreuzkapelle zum Garnisonkirchen-Streit: „Vielleicht noch nicht lange genug zugehört“
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Innenstadt - Für einen ausgiebigen Dialog zwischen Befürwortern und Gegnern eines Wiederaufbaus der Potsdamer Garnisonkirche hat sich die Pfarrerin der Nagelkreuzkapelle, Cornelia Radeke-Engst, ausgesprochen. „Vielleicht haben wir noch nicht lange genug zugehört“, sagte die Geistliche anlässlich einer Andacht in der Nagelkreuzkapelle am vergangenen Samstag. Auf der Veranstaltung wurde an den „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 erinnert, jenem Tag, an dem in der Garnisonkirche ein Staatsakt aus Anlass der Reichstagseröffnung zelebriert wurde. Im Anschluss an die Festveranstaltung verabschiedeten sich damals Hitler und Reichspräsident Hindenburg per Handschlag. Theo Eisenhart, der Fotograf der New York Times, hielt diese Szene fotografisch fest. Später machte das Bild eine ikonografische Karriere.
Die Handschlagsszene „ist seitdem im kollektiven Gedächtnis der Menschen abgespeichert“, sagte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) während der Andacht. Die heutigen Pläne für den Wiederaufbau der Kirche sind nicht zuletzt wegen dieses Symbolgehalts bekanntlich äußerst umstritten, die Positionen von Gegnern und Befürwortern über weite Strecken verhärtet. Radeke-Engst plädierte am Samstag dafür, in der Frage des Wiederaufbaus der Kirche vielleicht sogar zunächst einmal zu schweigen.
Und sie gab dafür unter anderem eine Begründung, die manchen Zuhörer überrascht haben mag: Es könne erst gebaut werden, wenn zwischen den Beteiligten ein breiter Konsens darüber erzielt worden sei, „dass unsere Väter und Mütter Täter waren“. Auf Nachfrage im Anschluss an die Veranstaltung, ob das nicht bereits Konsens sei, erklärte die Pfarrerin, es müsse ein solches Schuldbekenntnis zumindest noch klarer formuliert werden. Zugleich sagte Radeke-Engst, dass nicht der einstige barocke Sakralbau etwas für seine Geschichte könne, sondern dass es Menschen gewesen seien, von denen das nationalsozialistische Unheil ausgegangen sei. „Nein, die Steine können überhaupt nichts dafür“, erklärte die Pfarrerin auf der Andacht in der vollbesetzten Nagelkreuzkapelle, zu der auch Reverend Alan McCormack gekommen war, der in London als Geistlicher unter anderem an der St. Vedast Church tätig ist. Diese Kirche war einst von den Nationalsozialisten zerstört und später wieder aufgebaut worden. Holger Catenhusen
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