
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Bäume pflanzen ist besser als lernen
Seit dieser Woche hat Potsdam seinen ersten Schulwald – eine Kooperation mit der Revierförsterei
Stand:
Mit den langen Stöcken fangen die Jungs sofort an zu fechten. Dabei sollen die Siebtklässler der Kreativen Gesamtschule mit den Pflanzhölzern eigentlich ihren Wald wieder aufforsten. Das geht erst einmal nur unter Anleitung: Revierförster Dirk Eichhoff bohrt mit dem Fechtstock ein Loch in den weichen Boden und legt eine Eichel hinein. Erde wieder darauf, Waldboden feststampfen. Fertig.
Aus einem Eimer voller Eicheln sollen sich die Schüler in Zweiergruppen 25 Stück herausnehmen und auf einem Quadratmeter verteilt das Saatgut in die Erde bringen. Bald darauf verstreuen sich die Jungen und Mädchen über den ganzen Waldhang, kichern und säen. Und der anderen Hälfte der Klasse bringt Eichhof bei, wie man – mit dem Spaten ausgerüstet – zweijährige Buchen pflanzt.
Damit ist der Anfang gemacht für den ersten Potsdamer Schulwald. Auf dem Kahleberg in der Waldstadt, unweit des Falkenhofs, werden seit dieser Woche Schüler der Kreativen Gesamtschule zusammen mit dem Forstbetrieb einen Wald renaturieren. Die Fläche umfasst einen Hektar. Die Förster haben schon vorgearbeitet: unliebsames Gestrüpp ausgebaggert, das eh keine Chance hatte, gegen die vielen Kiefern anzuwachsen; sie haben manchen Baum abgeholzt und den jetzt recht lichten Schulwald eingezäunt. Rehe dürfen das Projekt schließlich nicht zunichte machen. Denn hier soll in den nächsten Jahrzehnten ein Mischwald entstehen, wie er typisch ist für Brandenburg: Kiefern, Eichen, Buchen. Aber bis die Bäume so hoch sind wie die Kiefern, werden gut 80 Jahre vergehen.
Die Förster denken in halben Ewigkeiten, die Schüler nur an das Jetzt. Eigentlich hätten sie Englisch gehabt, sagt die zwölfjährige Irina, während sie sich abmüht, mit dem Stock tief genug zu bohren. „Das hier ist in jedem Fall besser als Lernen.“ Draußen sein, nicht im Unterrichtsraum sitzen und einfach was tun. Genau das war auch das Anliegen von Revierförster Eichhoff: Kitakinder und Grundschulklassen ließen sich noch begeistern für eine Försterwanderung, das könne man sehr spielerisch anlegen, sagt er. „Aber größere Schüler brauchen eher praktische Arbeit.“
Mit dem Schulwald-Projekt will Eichhoff die Schüler für die Umwelt sensibilisieren und so einen Beitrag zum Naturverständnis leisten. Das ist schließlich auch der Auftrag der Forstbehörde: 1995 hatte Brandenburg als erstes Bundesland die Waldpädagogik zur Dienstaufgabe aller Förster erklärt. Aber für Eichhoff ist es noch mehr: Die Kinder sollen sich identifizieren mit dem Gelände. Es soll ihr Wald werden – ein Ort, zu dem sie vielleicht auch später kommen, wenn sie längst nicht mehr zur Schule gehen. In den nächsten Monaten jedenfalls werden die Siebtklässler immer wieder nach ihren Pflänzchen schauen, nachpflanzen und, so schwebt es Eichhoff vor, „den schwachen Pflanzen helfen, gegen die Konkurrenz zu bestehen.“
Kostengünstig ist es in jedem Fall – für beide Seiten: Der Forstbetrieb hätte es eh machen müssen, ansonsten hätten Waldarbeiter die Pflanzungen übernommen, die Schule kann außerdem Unterricht draußen machen. Katja Unverricht, die Lehrerin der Klasse 7b, fallen spontan ganz viele Sachen ein, die sie im Wald den Kindern beibringen kann: „Eigentlich kann man alles hier draußen unterrichten: Chemie, Bodenproben und den Ph-Wert ermitteln, ein Herbarium anlegen, Vermessungskunde. Auch Geographie, ergänzt Eichhoff, an dem Waldhang ließe sich etwa die Eiszeit erklären. „Und sogar Mathe kann man im Wald machen“, ergänzt Eichhoff, „mittels Dreiecksberechnung kann man ja die Höhe der Kiefern berechnen“.
Bennet lässt sich dafür bestimmt begeistern: Der Zwölfjährige kennt sich gut aus: Er habe mit seinem Vater schon mal einen Baum gepflanzt, erzählt er. Als der Förster Fragen über die Bäume stellt, weiß er auf alle eine Antwort. Er fühle sich wohl im Wald, sagt er. Auch in der Nähe seines Zuhauses gebe es einen Wald. „Da gehe ich immer mit meinem Freund und seinem Hund spazieren. Dann sammeln wir auch Eicheln, aber wir bewerfen uns damit.“ Eicheln gesät hat er noch nie. Und er überschätzt ein wenig, wie schnell die Pflänzchen wachsen. In den nächsten fünf Jahren werden sie kaum schon so groß sein wie die benachbarten Kiefern, wie Bennet annimmt. Aber immerhin: Am Ende des Projekts, in fünf Jahren, wenn Benett sein Abi macht, sind die Eichen vielleicht fast so groß wie er.
Grit Weirauch
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: