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Das Walhalla. Für seine Gäste ist es ein uriges Restaurant. Doch die Fragen um die Sanierung des denkmalgeschützten Hauses sind nach wie vor ungeklärt  Stadtoberhaupt Jann Jakobs (SPD) hinterlässt einem Nachfolger nach der Oberbürgermeisterwahl eine Baustelle mit Zündstoff.

© Andreas Klaer

Von Henri Kramer: Baustelle mit Zündstoff

Neue Erkenntnisse in Sachen „Walhalla“: Die undurchsichtigen Vorgänge um die Sanierung bergen für die Stadt Potsdam wohl finanzielle Risiken

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Eigentlich ist das „Walhalla“-Varieté für seine Gäste ein ehrwürdiges Haus mit Flair, guter Küche und angeschlossenem Hotel. In seinen Blütezeiten vor dem Zweiten Weltkrieg traten hier Künstler wie Charlie Chaplin und Enrico Caruso auf. Als es nach seiner dringend notwendigen Sanierung 2006 vom damaligen Chef Kay-Patrick Bockhold bei einem Fest zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Nadja Uhl, eröffnet wurde, schien dem denkmalgeschützten Haus in der Dortustraße 5 eine glänzende Zukunft sicher – nicht zuletzt, weil es als öffentlich wirksames Sozialprojekt schon während der Bauarbeiten straffälligen Jugendlichen gemeinnützige Arbeit ermöglichte.

Doch was kam, waren vor allem Schlagzeilen. Die Merkwürdigkeiten und Gerichtsprozesse um den barocken Bau füllen inzwischen Dutzende Aktenordner. Kurz vor der Oberbürgermeisterwahl sind die Umstände um die Sanierung des Hauses, die von der Stadtverwaltung schon seit dem Frühjahr geprüft werden, immer noch unklar. Stadtoberhaupt Jann Jakobs (SPD) hinterlässt einem Nachfolger – oder sich selbst – eine Baustelle mit Zündstoff.

Nun gibt es nach PNN-Recherchen neue Erkenntnisse: Es geht um die Zeit der Sanierung seit 2001, während der insgesamt mehr Fördermittel geflossen sind, als bislang bekannt. Zugleich hat das Rechnungsprüfungsamt der Stadt in einem ersten Bericht von Ende Mai insgesamt acht Komplexe aufgelistet, zu denen in der Abrechnung für die Sanierung des „Walhalla“ noch Unterlagen fehlten.

Der Reihe nach: Die Untersuchung des Finanzgebarens bei der Sanierung des „Walhalla“ durch die Maulwurf gGmbH hatten die Stadtverordneten im April nach einem Antrag der CDU in die Wege geleitet. Seitdem soll die ordnungsgemäße Verwendung von 780 000 Euro Fördermitteln aus dem Landesbauministerium kontrolliert werden. Denn auch vier Jahre nach der Wiedereröffnung des „Walhalla“ gibt es nach PNN-Informationen aus der Stadtverwaltung keine vollständige Abrechnung über die Verwendung der Landesgelder. Offizielle Ergebnisse der Untersuchungen liegen noch nicht vor. „Die Prüfung der Sachlage läuft“, sagt Stadtsprecherin Regina Thielemann. Zu Details der Untersuchung schweigt die Stadt, nur der hinter verschlossenen Türen tagende Rechnungsprüfungsausschuss der Stadtverordneten erhielt Ende Mai grobe Einblicke.

Doch schon dieser Befund fiel eindeutig aus. Laut einem internen Bericht aus dem Rechnungsprüfungsamt für die Ausschussmitglieder fehlten für die fällige Schlussrechnung zur „Walhalla“-Sanierung „fast alle Original-Unterlagen“, also beispielsweise Zahlungsnachweise. Dazu wurden noch sieben weitere Komplexe ausgemacht, zu denen Akten und Rechnungen fehlen. Und: „In jedem Fall steht aber bereits fest, dass es zu einer Differenz zwischen der gewährten und der abgerechneten Zuwendung kommen wird.“ Im Klartext: Was mit Teilen des an die Maulwurf gGmbH gezahlten Geldes passiert ist, weiß bei den Rechnungsprüfern niemand. Mit der weiteren Untersuchung wollte man die Potsdam-Berliner BSG Stadterneuerungsgesellschaft mbH beauftragen, heißt es in dem Papier weiter. Fragen zum Stand der Untersuchung beantwortet die Stadt unter Verweis auf das laufende Verfahren derzeit nicht.

Offensichtlich sorgt der Fall für Nervosität in der Verwaltungsspitze, gerade vor der Oberbürgermeisterwahl. Eigentlich hatte Amtsinhaber Jakobs laut dem beschlossenen CDU-Antrag bereits im nicht-öffentlichen Teil der Stadtverordnetenversammlung Anfang Mai über Ergebnisse der „Walhalla“-Überprüfung informieren sollen. Doch blieben die Angaben laut Teilnehmern der Sitzung vage. Allerdings soll Jakobs gesagt haben, er habe Sorge davor, die Geschichte in Magazinen wie dem „Spiegel“ oder dem „Stern“ zu lesen. Laut einem Mitarbeiter aus der Stadtverwaltung hat die Maulwurf gGmbH nun ein „Ultimatum“ erhalten, bis zu einem Termin kurz nach der Wahl die vollständige Rechnung einzureichen.

Dabei hätte die Rechnung dem Papier nach schon viel eher vorliegen müssen. „Die Verwendung der Fördermittel ist spätestens sechs Monate nach Fertigstellung des Bauvorhabens durch Vorlage der Originalrechnungen gegenüber dem Sanierungsträger nachzuweisen“, heißt es im 2001 abgeschlossenen Sanierungsvertrag für das „Walhalla“ zwischen der Maulwurf gGmbh und der Stadt Potsdam, die als Treuhänder das Geld aus dem Landesbauministerium weitergab.

Warum aber bislang nicht mehr Druck aufgebaut wurde, die Abrechnung zu erhalten, darüber gibt es Spekulationen. „Die Stadt fürchtet wohl, dass die Maulwurf gGmbH pleite geht, wenn die Fördermittel vom Land zurückgefordert werden – und so Potsdam für den Schaden aufkommen muss", vermuten Stadtpolitiker der Rathauskooperation um SPD, CDU, Grüne und FDP. Besonders in der CDU ärgert man sich darüber, ein neuer Antrag zum „Walhalla“ ist in Arbeit.

Die neuen und alten „Walhalla“-Betreiber – 2008 zog sich der heute 42 Jahre alte Bockhold vom Posten des „Walhalla“-Chefs zurück – bestreiten indes alle Vorwürfe. „Ich bin optimistisch, dass alle bis dato ausgereichten Fördermittel ordnungsgemäß und vollständig nachgewiesen werden können“, sagt „Walhalla“-Anwalt Jörg-Klaus Baumgart. Das lange Warten auf die Schlussrechnung komme unter anderem wegen der Unterfinanzierung des Projektes zustande, so Baumgart. Sowieso seien nur 780 000 Euro von zugesagten 880 000 Euro ausgezahlt worden, so der Anwalt – der so entstandene finanzielle Engpass sei ein Grund der Verzögerung. Erst mittels privat aufgenommener Kredite sei der Bau abgeschlossen worden. Gegen den Verdacht des Missbrauchs von Fördermitteln beruft sich die „Walhalla“-Seite auch auf den Augenschein: Für Gäste ist das zur Jahrtausendwende noch marode Haus in der Tat inzwischen ein uriges Lokal und Zwei-Sterne-Hotel zugleich, aufwendiger Stuck schmückt die Decke, Ziegelwände und Holzbalken sorgen für Atmosphäre.

Dennoch gibt es Unklarheiten, die die Prüfer der Rechnungen zu untersuchen haben. Etwa bei der Frage, wie viel Fördergeld pro Quadratmeter bei der „Walhalla“-Sanierung geflossen ist. Baumgart geht von knapp 550 Euro je Quadratmeter aus, „das ist sehr sparsam“. Doch mit diesem Wert hätte das „Walhalla“ bei einer Fördersumme von 780 000 Euro rechnerisch etwas mehr als 1400 Quadratmeter Fläche. In dem Fördervertrag mit der Stadt taucht diese Flächengröße aber nirgends auf. Und auch in einem Schreiben des für die Sanierung zuständigen Architekten von 2003 ist nur von etwas mehr als 750 Quadratmetern Fläche im „Walhalla“ die Rede. Damit lägen bei einer Fördersumme von 780 000 Euro die Kosten für die Sanierung rechnerisch bei 1040 Euro je Quadratmeter – fast das Doppelte des von Baumgart behaupteten Wertes.

Auch die von der „Walhalla“-Seite behauptete Geldnot ist fragwüdig. So ist inzwischen klar, dass die „Maulwürfe“ während der Sanierungszeit des „Walhalla“ neben dem Geld aus dem Bauministerium auch aus anderen Quellen erhebliche Zuwendungen kassiert haben. Frank Schauka als Sprecher des Brandenburger Justizministeriums bestätigte den PNN, dass die Maulwurf gGmbH von 2002 bis 2006 insgesamt knapp 370 000 Euro erhalten habe. Dafür sollten Straffällige zur Abwendung einer Freiheitsstrafe an soziale Einrichtungen oder eigene Projekten wie das „Walhalla“ vermittelt werden, so Schauka. Die Prüfung, wie die Gelder verwendet wurden, habe bei der Landesagentur für Struktur und Arbeit (Lasa) gelegen, laut einem Sprecher des zuständigen Sozialministeriums sind dabei keine Beanstandungen bekannt.

Zugleich bestätigte eine Sprecherin der Potsdamer Arbeitsagentur, dass für die Maulwürfe „ein Betrag im unteren sechsstelligen Bereich“ verwandt wurde, um für Menschen ohne Jobchance eine vorübergehende Beschäftigungsmöglichkeit zu schaffen. Die Mittel seien auch im Nachhinein noch an die Gemeinnützigkeit der Maulwurf gGmbh als Betreiber des „Walhalla“ gebunden, so die Sprecherin. Im April hatte der momentane Maulwurf-Chef Christoph Gügold versichert, dass die Firma – obwohl sie im „Walhalla“ nur noch den Hotelbetrieb im Haus managt und das Restaurant verpachtet hat – zu Recht weiter als Sozialprojekt und damit als steuerlich begünstigte gemeinnützige Gesellschaft gelte.

Die Geschichten ums „Walhalla“ bleiben also weiter rätselhaft. Eine Auflösung ist wohl erst nach der Oberbürgermeisterwahl zu erwarten.

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