Homepage: Bedürfnis nach Sicherheit
Das Erstlingswerk „Netto“ von HFF-Student Robert Thalheim auf der Berlinale und im Kino
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Das Erstlingswerk „Netto“ von HFF-Student Robert Thalheim auf der Berlinale und im Kino „Wenn Ihr Regisseure sein wollt, dann müsst Ihr drehen“, hatte Rosa von Praunheim seinen Studenten an der Babelsberger Filmhochschule „Konrad Wolf“ (HFF) gesagt. Robert Thalheim ist ihm dafür dankbar. Dem 31-Jährigen ist es gelungen, noch während seines Studiums einen Film in die Kinos zu bringen. „Netto“, so heißt er, läuft am 10. März an. Auch bei der Berlinale ist er zu sehen – in der Rubrik „Perspektive deutsches Kino“. Seinen Sohn hat der arbeitslose Marcel Werner (Milan Peschel) schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen. Dann steht der plötzlich vor des Vaters Laden in Berlin, Prenzlauer Berg. Der Sohn Sebastian (Sebastian Butz), will nicht mit seiner Mutter und deren neuem Mann ins Grüne ziehen. Und schon gar keine Lust hat er auf den Nachwuchs, den seine Mutter erwartet. Ganz nebenbei findet der Sohn seine erste große Liebe. Im Mittelpunkt aber steht die Vater-Sohn-Beziehung. „Sicherheit ist das Thema der Zukunft“, lautet das Motto des Vaters. In seinem Laden bastelt er an Alarmanlagen herum. In seiner Freizeit erzählt er dem Verkäufer seines Asia-Imbiss von Personenschutzstrategien. Doch der versteht ihn gar nicht. Abends schiebt er eine Pistole in sein Schulterholster und fährt die Berliner Regierungsgebäude ab. „Er phantasiert sich in eine Existenz als Personenschützer hinein“, erläutert der Regisseur und Drehbuchautor Robert Thalheim. Der Student musste nicht in die weite Welt ziehen, um an Stoff für seine Geschichte zu kommen: Er wohnt selbst im Prenzlauer Berg. „Ich habe viele Leute wie Marcel Werner in den Imbissen vor meiner Haustür getroffen. Die suchen nach Leuten, denen sie ihre Lebensgeschichte erzählen können. Ich wollte wissen: Welche Träume stecken in so einem drin.“ Das Security-Vokabular hat Thalheim auf den Internetseiten von Sicherheitsfirmen recherchiert. Der Regisseur spielt mit der Vieldeutigkeit des Themas Sicherheit. „Je kaputter die emotionalen Beziehungen sind, desto größer wird die Angst und auch das Bedürfnis nach Sicherheit“, sagt Thalheim. Das ist eine Facette. Aber auch der Gedanke an den Kampf gegen den Terror schwingt mit. Der Ausdruck „11. September“ kommt vor, wird aber beim Aussprechen verschluckt. Das ist eine andere Facette. Marcel Werner hat erst einmal recht, wenn er sagt: „Sicherheit ist das Thema der Zukunft.“ Aber man nimmt es ihm nicht ab. Als Personenschützer muss man vorausplanen können, sagt er als selbst ernannter Sicherheitsexperte. Sein Alltagsleben aber überschaut er nicht. Selbst die eigene Alarmanlage, vom Sohn ausgelöst, überfordert ihn für einen Augenblick. „Ich habe viele Leute erlebt, bei denen die Schere zwischen Tun und Handeln immer größer wurde. Die sind oft gescheitert, können sich das aber nicht erklären, weil sie eigentlich alles richtig gemacht haben“, erzählt Thalheim. Der Wendeverlierer Marcel Werner ist so ein Mensch. „Er hat versucht die Schlagworte zu realisieren, die ihm angeboten wurden: Mach dich selbstständig. Mit der Wende wird alles anders“, sagt Thalheim. Warum also nicht im Sicherheitsbereich arbeiten? Heißt es nicht immer: Der Kampf gegen den Terror ist die größte Herausforderung des neuen Jahrtausends? Liegt in der Sicherheit etwa nicht die Zukunft? Doch ganz so einfach ist es eben nicht. Hier kommt der Sohn ins Spiel. Er bringt einen realen Bezug in Marcel Werners Leben. „Du hast kein Profil“, sagt Sebastian ihm ins Gesicht – während eines simulierten Bewerbungsgesprächs. Der Sohn hilft dem Vater auf die Sprünge. Er enttarnt die Rechtfertigungsstrategien, mit denen sich der Vater selbst belügt. „Sehe ich aus wie ein Arbeitsloser? Wollen Sie sich über mich lustig machen?“, empört sich der Vater über einen überheblichen Krawattenverkäufer. Dem Sohn ist die Szene peinlich. Er geht aus dem Laden. Erst beim Basketballspiel kommen sich die beiden näher. Sie reden über Sicherheitsstrategien und über die Liebe zu Frauen. Diese neue Nähe zu seinem Sohn bringt echte Sicherheit in Marcel Werners Leben – eine emotionale Sicherheit, die ihr Fundament in der wirklichen Beziehung der beiden zueinander besitzt. Sie holt den Vater heraus aus dem luftleeren Raum zwischen Arbeitsamt, Asia-Imbiss und den nächtlichen Streifzügen um die Regierungsgebäude. Seine eigene Vergangenheit verarbeitet Thalheim nicht. „Ich komme aus einer heilen Westberliner Familie und habe ein freundschaftliches, manchmal auch konkurrenzhaftes Verhältnis zu meinem Vater.“ Auch den nächsten Film hat Thalheim schon angedacht: Er soll von einem jungen Mann handeln, der seinen Zivildienst im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz ableistet. Dort tritt er mit seinem „großen Apparat an Debatten aus Deutschland“ in so einige Fettnäpfchen, wie der Filmemacher verspricht.
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