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Landeshauptstadt: Beerenzeit in Potsdams Obstgarten

Zur Obsternte in der Kolonie Alexandrowka werden Erntehelfer gesucht. Mitarbeiter der Stephanus-Werkstätten waren schon da

Stand:

Die Sommerhitze legt sich an diesem Mittwochmittag breit und faul über die Gärten. Im Andreaskreuz der Wege durch die Kolonie Alexandrowka sieht man einige Spaziergänger und Touristen durch das Weltkulturerbe wandern. Hinter den Hecken und Zäunen hat auf den Obstplantagen die Ernte längst begonnen. Am gestrigen Mittwoch sind Johannisbeeren und Äpfel dran, als Erntehelfer sind Mitarbeiter der Berliner Stephanus-Werkstätten für Behinderte nach Potsdam gekommen.

„Wir können und dürfen die Ernte nicht kommerziell vermarkten“, sagt Herbert Claes, Bereichsleiter Grünflächen der Stadtverwaltung. Während die Anwohner die kleinen Privatgärten an den Häusern nutzen, ist die Stadt mit der Betreuung der Gärten hinter den russischen Kolonistenhäusern, ein Gartendenkmal, beauftragt. Um die weit mehr als 1000 Obstgehölze und die vielen Beerenbüsche kümmern sich ganzjährig zwei  Mitarbeiter und zusätzlich Helfer aus Bürgerarbeit und MAE-Maßnahmen. Bei der derzeitigen Hitzewelle wird vor allem gewässert – mit Brunnenwasser aus 32 Metern Tiefe. Zur Erntezeit allerdings brauchen sie Unterstützung, um all das Obst von den Bäumen zu bekommen.

Und die sind zahlreich: Laut einer Zählung im Oktober 2011 wachsen hier 1387 Obstbäume: Äpfel und Birnen, Quitten, Süß- und Sauerkirsche, Pflaumen und Aprikosen, Walnüsse. 280 davon stammen noch aus der Erstbepflanzung dieses Areals um das Jahr 1827.

Auch der Birnbaum, der den Erntehelfern bisweilen Schatten spendet, ist damals gepflanzt worden: eine Römische Schmalzbirne. „Sieht jünger aus, als sie ist“, sagt Frank Karm von Grünflächenamt. Das genaue Alter lässt sich erst feststellen, wenn der Baum abgeholzt ist. „Es gibt leider nur wenig Fachleute, die sich damit auskennen“, sagt Herbert Claes. Und auch nach all den Jahren trägt die Schmalzbirne reichlich, biegen sich die dünnen Zweige unter der Last der Birnen. Doch ob und wie die Früchte aus acht Metern Höhe geerntet werden sollen, das ist noch unklar.

Denn mit diesem Gartenschatz muss vorsichtig umgegangen werden. Versuche, per Selbstpflücke die Früchte an die Potsdamer zu bringen, scheiterten daran, dass diese zu sorglos mit den Bäumen umgingen. „Dann wurden gedankenlos ganze Äste umgeknickt und abgebrochen, um auch noch an den letzten Apfel heranzukommen“, sagt Claes mit Bedauern. Außerdem sei die Verteilung der alten und neu gepflanzten Bäume eher unübersichtlich – immerhin 616 verschiedene Sorten, nachzulesen im sogenannten Obstatlas, ein Übersichtswerk, 2012 von der Stadt herausgegeben.

Aus diesem Grund wird nun unter Anleitung und Aufsicht der städtischen Gärtner gearbeitet. Dazu sind soziale und gemeinnützige Einrichtungen eingeladen. Nach Anmeldung darf dann geerntet werden, was man für den Eigenbedarf gebrauchen kann. Die Gärtner zeigen, was gerade reif ist, welche Bäume abgeerntet werden dürfen.

Jetzt ist auch Beerenzeit. Zwischen den Bäumen stehen jede Menge Johannisbeersträucher, übervoll mit rot-leuchtenden Rispen. Die fünf jungen Erwachsenen der Stephanus-Werkstätten füllen Kisten und Körbe mit den Beeren. Etwa 14 Stiegen haben sie bis zum Nachmittag gepflückt und nehmen sie mit nach Berlin. „Wir backen Kuchen daraus, kochen Marmelade, frieren etwas ein“, sagt Thomas Zeh, Leiter Arbeitsverteilung der Werkstätten. Außerdem sei das ein schöner Ausgleich für die Mitarbeiter, die sonst in den Werkstätten im Haus arbeiten. Zum fünften Mal in diesem Jahr sind sie in die Kolonie Alexandrowka gekommen, und es werden noch mehr – die Erntezeit ist lang. Äpfel und Quitten gibt es manchmal bis in den Dezember. David Bayer, 27 Jahre alt und normalerweise zum Reinigungsdienst eingeteilt, ist zum dritten Mal in Potsdam dabei. „Ist besser, als Toiletten zu putzen“, sagt er glücklich.

„Wir würden uns über weitere Helfer freuen, gerne aus Potsdamer Behinderten-Werkstätten. Auch an das Frauenhaus hatten wir gedacht“, sagte gestern Potsdams Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth-Koschnick. Sie freut sich über den Außentermin, auch für sie sei das eine schöne Abwechslung zum Büroalltag. „Ich habe Brombeeren genascht, sehr lecker“, sagt sie.

Wer in der Alexandrowka für eine soziale oder gemeinnützige Einrichtung Obst ernten möchte, kann sich bei der Stadt dafür anmelden: per Mail an: Gruenanlagen@Rathaus.potsdam.de

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