Landeshauptstadt: Befehl von ganz oben
Wie die Ruine des Stadtschlosses fiel
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Die Entscheidung kam von oben. Von ganz oben. Am 12. Mai 1959 senkte das DDR-Politbüro den Daumen über das Potsdamer Stadtschloss. Die Polit-Granden in Berlin beschlossen an diesem Tag den Abriss der seit Kriegsende vor sich hin rottenden Ruine des Hohenzollernschlosses in Potsdams Zentrum. Ein neues Potsdam sollte hier entstehen. Ein sozialistisches dazu.
An dieses letzte Kapitel des historischen Schlossgemäuers erinnerte Thomas Wernicke am vergangenen Dienstag mit einem Vortrag in der katholischen Arche am Bassinplatz. Der Historiker, der am Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte tätig ist, hatte bereits vor einigen Jahren in einem intensiven Quellenstudium zum Niedergang des in der „Nacht von Potsdam“ am 14. April 1945 zerstörten Schlosses geforscht.
Wernicke fand dabei heraus, dass es bereits im Januar 1949, mithin elf Jahre vor dem endgültigen Abriss der Schlossruine, konkrete Bestrebungen zur Sprengung des ausgebrannten Hohenzollern-Gemäuers gab. Demnach sollte am 16. Januar 1949, einem Sonntag, die Sprengung beginnen. Jedenfalls war dies laut Wernicke fünf Tage vor dem geplanten Sprengungstermin von Peter Scheib, einem Parteisekretär des brandenburgischen Innenministeriums, in einem offenen Brief im SED-Blatt „Märkische Volksstimme“ so angekündigt worden. Offenbar führte jedoch der Einfluss verschiedener politischer Ebenen dazu, dass dieser Plan zunächst fallen gelassen wurde.
In der Folgezeit gab es immer wieder neue Ideen für ein sozialistisches Stadtzentrum – mal mit und mal ohne das Preußenschloss. So lautete ein Vorschlag, das Stadtschloss abzureißen und stattdessen auf dem Alten Markt eine Stadthalle zu errichten. Da in den größeren DDR-Städten nach Möglichkeit auch immer ein großer Aufmarschplatz geschaffen werden sollte, sah ein Gestaltungsentwurf vor, neben der Nikolaikirche auf dem heutigen Fachhochschulgelände einen solchen zentralen Demonstrationsplatz zu schaffen.
Allein in den Jahren 1957 bis 1960 wurden laut Wernicke sechs Wettbewerbe zur Gestaltung des Stadtzentrums veranstaltet – aber mit dem Abrissbeschluss des Politbüros vom Mai 1959 war, trotz aller weiteren Pläne, das Schicksal des Schlosses besiegelt. Der Potsdamer Rat der Stadt und die Stadtverordneten sprachen sich am 13. November 1959 schließlich ebenfalls für den Abriss aus. Am 28. April 1960 detonierte die letzte Sprengladung. Das Schloss war Geschichte. Holger Catenhusen
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