Links und rechts der Langen Brücke: Befindlichkeiten
Links und rechts der Langen Brücke Sabine Schicketanz über Zaun-Gehege, Uferwege und emotionales Fingerspitzengefühl Was der Hundezwinger auf dem Grundstück der Villa Kampffmeyer mit dem Uferweg am Griebnitzsee zu tun hat? Auf den ersten Blick nicht viel.
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Links und rechts der Langen Brücke Sabine Schicketanz über Zaun-Gehege, Uferwege und emotionales Fingerspitzengefühl Was der Hundezwinger auf dem Grundstück der Villa Kampffmeyer mit dem Uferweg am Griebnitzsee zu tun hat? Auf den ersten Blick nicht viel. Auf den zweiten sind beide Streitfälle – der eine sehr ernst, der andere weniger – blendende Beispiele für die Potsdamer Befindlichkeit. Wohl in kaum einer anderen Stadt würden sich die Bürger sofort zu Wort melden, wenn im Garten einer hochherrschaftlichen Villa ein Zaun-Gehege auftaucht. Und wohl in keiner anderen Stadt würden Villenbesitzer einen Uferweg aufreißen, um ihren Unwillen zu demonstrieren. Urteile über das eine oder andere Verhalten kann man sich viele bilden, nachgedacht werden sollte jedoch über das Warum. Denn beide Episoden zeigen, dass in Potsdam etwas aus dem Ruder läuft. Die Gelassenheit, die zeitweise zwischen Neu- und Altbürgern zu herrschen schien, hat sich wohl bei einigen, wenn nicht vielen, verflüchtigt. Die viel besagte Schere klafft auch in der Landeshauptstadt auseinander. Natürlich, verschiedene Lebensumstände wird es immer geben, in jeder Stadt, in Ost und West. Wie mit ihnen umgegangen wird, ist allerdings die entscheidende Frage. Und wo sie im Westen oftmals gewachsen sind, muss der Osten in dieser Form erst seit fünfzehn Jahren mit ihnen umgehen. Dem gilt es Rechnung zu tragen – und deshalb muss vor allem die Politik, aber nicht nur sie allein, wieder den weichen Mantel der gemeinsamen Identität über der Stadt ausbreiten. Zu ihr gehören kleine und große Wunder wie das Belvedere auf dem Pfingstberg, das Fortunaportal, die Schiffbauergasse. Das Potenzial, identitätsstiftend zu wirken, hat auch die Bewerbung um den Kulturhauptstadt-Titel. Doch für sie muss endlich der Boden bereitet werden, muss die Stimmung stimmen. Damit diese wieder anders und besser wird, sind vernünftige Entscheidungen mit emotionalem Fingerspitzengefühl gefragt – auch im Streit um den Uferweg am Griebnitzsee. Denn besonders dieser Streitfall könnte für die künftigen Potsdamer Befindlichkeiten Signalwirkung haben.
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