zum Hauptinhalt

KONFLIKT AM GRIEBNITZSEE: Begehrliches Ufer Uferweg – auf der anderen Seite

Siegreiche Griebnitzsee-Anrainer schlagen einen Kompromiss vor – der für die Stadt keiner sein wird

Von Peer Straube

Stand:

Der frühere Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen am Griebnitzsee wurde seit der Wende von der Bevölkerung öffentlich genutzt. Nachdem die Stadt es versäumt hatte, dort die Mehrzahl der Grundstücke zu kaufen, befanden sich Teile des Uferwegs letztendlich auf Grundstücken, die vom Bund an Privateigentümer verkauft worden waren. Die Stadt hatte laut dem gestern für ungültig erklärten B-Plan Nr. 8 einen 2,8 Kilometer langen öffentlich zugänglichen Uferpark geplant. Um den Uferbereich wird seit Jahren juristisch heftig gerungen. Im Februar dieses Jahres urteilte das Verwaltungsgericht Potsdam, dass der Uferweg nicht öffentlich gewidmet ist. Im April entschied das Oberverwaltungsgericht in Berlin, dass es für den Uferbereich samt Uferweg keine Betretungsrechte für die Allgemeinheit gibt und gab damit der Klage von acht Anrainern Recht. Daraufhin sperrten bislang zwölf Anrainer den Uferweg für die Öffentlichkeit. Teile des Uferwegs sind in diesen Bereichen längst beseitigt. Die Stadtverordneten haben zwischenzeitlich den letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière und den früheren brandenburgischen Justizminister Hans Otto Bräutigam als Ufer-Diplomaten eingesetzt. Sie sollen zwischen Anrainern und Stadt vermitteln und eine justiziable Lösung finden, die einen öffentlichen Weg ermöglicht. Die Anrainer haben gestern angekündigt, mit einem Kompromissvorschlag in die von der Stadt angebotenen Vermittlungsgespräche zu gehen. Dieser sieht allerdings keinen durchgehenden Uferweg auf der Babelsberger Seite des Griebnitzsees vor. Offiziell sollen die Anrainer bis zum 5. Juni den Stadtverordneten mitteilen, ob sie verhandeln werden. erb

Die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht in Berlin lief gestern noch, da hatten die Sieger ihren Kompromissvorschlag schon ins Internet gestellt. Der sieht im Prinzip so aus: Der Uferweg am Griebnitzsee verläuft künftig im Wesentlichen auf der Berliner Seeseite. Sieben Aussichtspunkte mit Erläuterungstafeln regen die Prozessgewinner dort an, dazu die Einrichtung eines historischen Lehrpfads zur Villenkolonie Neubabelsberg. Besucher können per Dampfer von neuen Anlegern in Klein Glienicke und südlich des Stölpchensees übers Wasser schippern, auch der Mauerradweg soll ans Berliner Ufer verlagert werden. Auf Potsdamer Seite soll es vier Uferparkzonen geben, an denen das Seeufer öffentlich ist. Einen durchgehenden Uferweg sieht das Angebot jedoch nicht vor.

Als „super Konzept“ bezeichneten die Prozessgewinner ihren Vorschlag gestern gegenüber den PNN. Zur Finanzierung wollen sie eine Bürgerstiftung gründen und selbst „rund 200 000 Euro“ Anschubfinanzierung beisteuern. Einzahlen könne dann jeder, der ein Interesse am Projekt habe. Mit dem Geld könnten auch Grundstücke des Bundes am Potsdamer Seeufer gekauft werden. Mit ihrem Kompromissvorschlag wollen die Seeanrainer auch in die Gespräche mit den von der Stadt beauftragten Mediatoren Lothar de Maizière und Hans Otto Bräutigam gehen, hieß es.

Nachdem das Gericht gestern den Bebauungsplan zum Griebnitzseeufer kassierte, bereitete die Stadt am späten Abend ihre Gegenmaßnahmen vor. Für die drei Tagesordnungspunkte – die Aufstellung eines neuen B-Plans für den Uferweg, gekoppelt mit einer Veränderungssperre, um weitere Baumaßnahmen der Grundstückseigentümer zu verhindern, sowie ein Vorkaufsrecht für weitere Seegrundstücke – zeichnete sich eine große Mehrheit ab.

SPD, Linke und die Grünen kündigten an, alle drei Beschlüsse mitzutragen. Nach dem Richterspruch sieht SPD-Fraktionschef Mike Schubert die Position der Stadt „deutlich verschlechtert“. Man stehe wieder „ganz am Anfang“. Dem Vorschlag der Seeanrainer begegnete er mit Skepsis. „Das ist nicht das, was wir wollen, nämlich einen Uferweg auf der Potsdamer Seeseite“, sagte Schubert den PNN. Die Variante, einen Steg um den gesperrten Uferweg zu bauen, müsse weiterhin diskutiert werden.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) erklärte, das Urteil sei „bedauerlich“. Immerhin habe das Gericht festgestellt, „dass die Planungsziele in Ordnung sind“. Der Kompromissvorschlag der Anrainer, so Jakobs, „ist kein Kompromiss“. Dieser Auffassung ist auch CDU-Fraktionschef Michael Schröder. Er erklärte, auch seine Fraktion trage die Beschlussvorlage mit, dies könne aber „kein Freibrief für Enteignungen sein“.

Für Linken-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg ist die Lage nach dem Urteil „deutlich verschärft“. Am Ziel eines freien Uferwegs werde unbedingt festgehalten, auch mit dem „Mittel der Enteignung“. Zudem forderte Scharfenberg eine Überprüfung, auf welcher Rechtsgrundlage die Bootshäuser und Stege der Eigentümer errichtet wurden, nachdem der B-Plan vom Gericht kassiert wurde.

Grünen-Fraktionschef Nils Naber zeigte sich „überrascht“ vom Urteil. Vor allem die von den Richtern kritisierte mangelnde Abwägung der Interessen könne er nicht nachvollziehen. Der alte B-Plan sei bereits ein „Kompromiss“ gewesen, der „eine ganze Reihe von Privatinteressen berücksichtigt“ habe. Am Ziel eines offenen Uferwegs ändere sich auch nach dem Urteil nichts, sagte der Grüne.

Scharfe Kritik an der Stadt übte Ute Bankwitz vom Bürgerbündnis. Das Urteil sei eine Folge der „Arroganz der Macht“. Der Oberbürgermeister hätte lieber mit den Anrainern verhandeln sollen, statt dem Bürger „für unnütze Prozesse sinnlos in die Tasche zu greifen“. Nach dem Gerichtsbeschluss sei man nun „sehr weit weg vom ursprünglichen Anspruch“. Für die Stadt sei die Situation „sehr unglücklich“, sagte Bankwitz.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })