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Landeshauptstadt: „Bei Facebook und Twitter wäre er dabei gewesen“

Potsdams Fontane-Archiv wird persönliche Schreiben des Dichters im Internet veröffentlichen

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Tausende persönliche Schreiben und Dokumente des Schriftstellers Theodor Fontane (1819-1898) werden in den nächsten Jahren für die Veröffentlichung im Internet aufbereitet. „Statt im Archiv können Forscher dann weltweit auf die Zeugnisse zurückgreifen“, sagt die Leiterin des Potsdamer Fontane-Archivs, Hanna Delf von Wolzogen. Seit Juli vergangenen Jahres gehört das Archiv zur Universität Potsdam.

Fontane, geboren in Neuruppin, lernte zunächst den Beruf des Apothekers. Später reiste er nach England und veröffentlichte dort erste Feuilletons. 1860 begann er mit den Arbeiten an seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, schrieb Novellen und seine berühmten Romane wie „Effi Briest“.

Das Internet-Projekt wurde nach Angaben von Archivleiterin von Wolzogen gerade in Angriff genommen. Es werde mehrere Jahre dauern, ehe die Archivalien für das Forschungsportal aufbereitet seien. Den Wissenschaftlern komme zugute, dass in den vergangenen Jahren fast der ganze Archivbestand bereits digitalisiert worden sei.

Für die wertvollen Dokumente wäre es zu gefährlich, sie im Original in die Hände von Forschern zu geben. Papiere der damaligen Zeit sind vom Säurefraß bedroht. „Einige würden bei Benutzung zerbröseln“, sagte von Wolzogen.

Cordula Teuffert, Restauratorin aus Berlin, hatte vor knapp zwei Jahren das Romanfragment „Allerlei Glück“ von Fontane behandelt. Die Seiten wiesen Risse, Fehlstellen und Verbräunungen auf, vor allem aber jene Säureschäden. Papier war damals noch nicht säurefrei. Auch die Tinte wurde teils mitbehandelt, auf manchen Blättern von „Allerlei Glück“ zeigte sich erster sogenannter Tintenfraß aufgrund des Eisengehalts der Eisengallustinte. Die habe man sich damals oft selbst gemischt oder in Apotheken gekauft, für Fontane dürfte das kein Problem gewesen sein, sagte Teuffert damals. Die restaurierten einzelnen Blätter im Format zwischen A4 und A3 können unter guten Lagerbedingungen jedoch eine Weile halten, sagte Teuffert. Die seien im Archiv gegeben: keine Klimaschwankungen, konstante niedrige Luftfeuchtigkeit, wenig Tageslicht.

Neben Restaurierung und Erhalt der Briefe Fontanes seien viele Fragen unter anderem zu den Rechten zu klären, sagte von Wolzogen. Der Essener Literatur- und Medienwissenschaftler Thomas Ernst hatte im vergangenen Jahr in einem Vortrag bei einer Tagung der Fontane-Gesellschaft gesagt, dass Briefe, die sich nicht ausdrücklich an die Öffentlichkeit wenden, in den Bereich einer privaten Kommunikation gehörten und ihnen somit das Recht des Persönlichkeitsschutzes zukomme. Es gibt demnach durchaus ein Spannungsfeld „Zwischen privater Nachricht und geistiger Schöpfung“ – so auch der Titel des Vortrags.

Schön anzusehen sind die Fontane-Schriften jedenfalls. „Fontane hat in deutscher Schrift geschrieben, sehr schwungvoll und selten ordentlich“, sagt Archiv-Leiterin von Wolzogen. Texte habe er vielfach mit farbigen Stiften überschrieben. Ein Blatt Papier sei oft bis zum Rand beschrieben und jeder Millimeter ausgenutzt worden. „Manches ist nur mit der Lupe zu entziffern.“ Weltweit sind Forscher den Angaben zufolge am Schaffen des märkischen Schriftstellers interessiert. Im Blick stehe vor allem der immense Bestand an Briefen und Postkarten, die er an Familienangehörige, Freunde oder Geschäftspartner geschrieben habe. Erforscht werde auch, wie der umtriebige Autor im 19. Jahrhundert mit den Medien umgegangen sei, sagt von Wolzogen. „Manchmal schrieb er auf einer Postkarte nur ein paar Zeilen und kündigte dann einen Brief an.“ Für seine Fans ließ er Autogrammkarten mit seinem Foto drucken. Zudem sammelte er für seine Werke viele Informationen. „Er spielte virtuos mit den Medien im eigenen Interesse“, sagt von Wolzogen. „Bei Facebook und Twitter wäre er dabei gewesen. Das Internet hätte er ohne Berührungsängste genutzt.“

Die Handschriften-Sammlung umfasst rund 10 000 Blatt Originalhandschriften. Darunter sind Manuskripte seiner Romane, Erzählungen oder journalistische Beiträge sowie Tagebücher und Briefe. Außerdem werden 12 000 Blatt Abschriften und Kopien zum Teil verschollener Handschriften verwahrt. (mit spy, KBü)

Gudrun Janicke

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