zum Hauptinhalt
Einen „Subday“ für drei „Schlaffis“: Junge in der Kinderstadt.

© Gayane Arakelyan

Landeshauptstadt: Beim Diebstahl erwischt

Die „Stadt der Kinder“ am Schlaatz hat nun eigenes Geld und einen Bürgermeister

Stand:

Am Schlaatz - „Zehn Minuten das Kaninchen streicheln kostet zwei Schlaffis, für sechs Schlaffis bekommt man eine Tageskarte“, erklärt Josephine (11) vom Streichelzoo in der „Stadt der Kinder“. Der „Schlaffi“ ist die offizielle Währung der Holz-Metropole im Nuthewäldchen am Schlaatz. Die von über 160 Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren erbaute und bevölkerte Stadt steht nun schon seit anderthalb Wochen und hat sich deutlich weiterentwickelt: Die 17 anfangs roh gezimmerten Holzhäuser sind nun kunterbunt bemalt und die jeweiligen Bewohner gehen ihren Berufen nach: Das Radio sendet per Lautsprecher Party-Musik, beim „Subday“ gibt es Sandwiches (für drei „Schlaffis“), der „Kfz-Handel“ vermietet Bollerwagen, im Casino kann man laut Eingangsschild Geld beim Roulette, Mau Mau oder „Skard“ gewinnen und die zwei Banken geben „Schlaffis“ aus. „Pro Tag bekommt jeder 15“, erklärt Betreuer Robert Lukas.

Über 20 ehrenamtliche Betreuer und Helfer haben die Kinder beim Bau der Stadt angeleitet, aber das meiste haben die Kinder tatsächlich selbst gebaut, gestaltet und eingerichtet. Noch bis Donnerstag wird die Stadt stehen bleiben.

Mit dem Einzug des Geldes ist – wie im wahren Leben – auch die Kriminalität sofort gestiegen: „Ich habe ein Anzeige gegen den ‚Turm 32’ gemacht, weil die uns Geld geklaut haben!“, sagt die neunjährige Marie-Luise von der benachbarten Tierklinik. Auch eine Räuberhöhle und einen Räuber-Turm gibt es in der Stadt: „Die sind sehr ‚fleißig’“, scherzt Betreuerin Katja Altenburg. „Ich habe gerade zehn Schlaffis geklaut!“, sagt Kolya (9) vom „Turm 32“. Plötzlich tönt eine Durchsage vom Radio-Turm: „Achtung, es wurde Falschgeld gedruckt!“ Kein Wunder, denn die „Schlaffis“ sind relativ einfach bemalte Papierstücke.

Es gibt also echte Probleme, aber wo bleibt die Regierung? Wie man in der stadteigenen „Tudass-Zeitung“ lesen kann, wurde heute der zwölfjährige Anton mit 58 Stimmen zum Bürgermeister gewählt. „Ich verspreche Gerechtigkeit, keinen Müll, Sicherheit und dass sich alle mit Respekt behandeln“, führt er sein Wahlprogramm aus. Außerdem gibt es einen Verteidigungs- und einen Umweltminister sowie ein Gericht mit Staats- und Rechtsanwälten.

Kaum gewählt, muss das Stadtoberhaupt auch schon das erste Problem lösen: Ein „Räuber“ hat den Betreiberinnen des Blumenladens ihre hart erarbeiteten 150 Schlaffis gestohlen, die sie durch den Verkauf von echten und Papierblumen erwirtschaftet hatten. Der Missetäter sitzt bereits im Kittchen der Polizei; Anton soll entscheiden, wie der Dieb den Schaden wieder gut machen soll: „Er soll zur Bank gehen und Geld abheben.“ Das geht, denn bei den Banken kann man auch Konten einrichten.

Natürlich gibt es gleich neben der Holz-Stadt auch noch eine richtige Stadt mit richtigen Anwohnern: „Mir ging der Krach von der ‚Stadt der Kinder’ ziemlich auf den Senkel!“, sagt Michael Aßmann (51). Aßmann wohnt ganz in der Nähe des Nuthewäldchens und ging im Sommer 2008 genervt zu der Stadt, um sich das Ganze mal aus der Nähe anzusehen. Das Projekt, bei dem die Kinder selbst mit Werkzeug etwas auf die Beine stellen, gefiel ihm jedoch so gut, dass er seitdem jedes Jahr als Betreuer mit dabei ist. Heute kümmert sich Aßmann um die Werkzeugausgabe und bewacht das Feuer im selbstgebauten Lehmofen. „Man muss auch anerkennen, dass es hier mit all den Schlaatzer Jugendlichen noch nie irgendwelche Probleme gegeben hat – die Stadt der Kinder war immer friedlich!“

Das Stadtleben blüht: Beim Eingang wird ein Insektenhotel gebaut, bei den Bauwagen zimmern Kinder Vogelhäuschen und Sitzbänke für ihre Häuser. Kurz hinter dem bunt gestrichenen Stadttor werden T-Shirts per Siebdruck mit dem offiziellen Stadtwappen bedruckt: Ein Schild mit gekreuzter Zange und Hammer im Zentrum. Auch ein Stadtname wurde am Montag gewählt; am schwarzen Brett auf dem Marktplatz hängen noch die Zettel mit den Vorschlägen: „Holzhausen“, „Idenia“, Schlaffi-Stadt“ oder „Zol-so-blaiben“. Trotz all dieser Ideen haben sich die Einwohner mehrheitlich für „Stadt der Kinder“ als Namen ausgesprochen. Eine knappe Entscheidung: Auf Platz 2 liegt „Entenhausen“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })